«Noch nie wohnten so viele Menschen einer Vereidigung bei. Punkt»

Am ersten Arbeitstag schickt Donald Trump seinen Sprecher vor die Presse, um durchschaubare Lügen zu verbreiten.

Von Peter Hossli

Wer schon einmal der Vereidigung eines US-Präsidenten beigewohnt hatte, dem war am Freitag sofort klar: Eine allzu grosse Sache wird es nicht. Obwohl das Wetter warm und meist trocken war.

Es gab viele freie Plätze in den Zügen Richtung Innenstadt. Im Nu waren die Sicherheitskontrollen passiert. Weit ruhiger wirkte Washington im Vergleich zu 2009, als Barack Obama (55) bei eisigen Temperaturen seinen ersten Amtseid ablegte.

Der Eindruck täuschte nicht. Die Agentur AP verglich Fotos von 2009 und vom letzten Freitag. Klar ersichtlich: Zur Vereidigung von Donald Trump (70) waren viel weniger Menschen gekommen.

Doch der Vergleich kränkte Trump. Zumal er gleichzeitig sah, wie viele Frauen gegen ihn demonstrierten.

Just beauftragte der Präsident seinen Sprecher Sean Spicer (45), Fakten zu verdrehen. «Noch nie wohnten so viele Menschen einer Vereidigung bei. Punkt», so Spicer bei seinem allerersten Auftritt. Beschämend sei, wie die Medien den Enthusiasmus rund um Trump schlechtschrieben.

Keine Rückendeckung vom Secret Service

Spicer tischte etliche leicht durchschaubare Lügen auf. Am Freitag seien mehr Menschen mit der Metro gefahren als vier Jahre zuvor. Die Transportbehörde widersprach. Strengere Sicherheitskontrollen des Secret Service hätten Besucher abgehalten. Der Secret Service widersprach. Erstmals sei weisser Plastik verlegt worden, um Gras abzudecken. Das mache freie Stellen sichtbarer. Auch das: falsch.

Mancher in Washington war verblüfft. Zwingt ein amerikanischer Präsident hier seinen Sprecher, Unwahrheiten zu verbreiten? Wie es der irakische Diktator Saddam Hussein (1937–2006) im Jahr 2003 mit seinem Sprecher Muhammad as-Sahhaf (76) tat, der als «Comical Ali» Berühmtheit erlangte? Oder schlägt bereits am ersten Arbeitstag die narzisstische Psyche Trumps durch? Er kann es nicht leiden, nicht der Beste, Stärkste und Grösste zu sein.

Ari Fleischer (56), einst Sprecher von Präsident George W. Bush (70), ordnete die Aussage von Spicer ein: «Das ist ein Statement, das der Präsident dir diktiert hat, du weisst, er schaut dir zu.»

Spicer aber ist der grosse Verlierer. Auf Twitter erntet er Häme. Mit Lügen musste er bereits am ersten Arbeitstag sein wichtigstes Kapital opfern: Vertrauen.