Interview: Peter Hossli Fotos: Pascal Mora
Herr Rösler, dass Donald Trump nicht in Davos ist, verstehen wir. Warum aber kommt die französische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen nicht?
Philipp Rösler: Wir laden seit Jahren gewählte Staats- und Regierungschefs und ihre Minister ein.
Die ganze Welt redet über Populisten wie Le Pen, Trump, Nigel Farage und Geert Wilders. Warum fehlen diese in Davos?
Ich weiss nicht, wie Sie darauf kommen, dass Populisten fehlen. Wir haben etliche Veranstaltungen zu Populismus. Am Freitag treten Personen auf, die sich selber vielleicht nicht als Populisten sehen, die aber von anderen manchmal so wahrgenommen werden. Aus der Schweiz etwa Roger Köppel oder die Co-Vorsitzende der italienische Fünf-Sterne-Bewegung.
Und doch hat man das Gefühl, Davos habe jene Personen aus den Augen verloren, die derzeit die Diskussion bestimmen.
Wenn wir uns nur auf diejenigen konzentrieren, die die Diskussion bestimmen, werden gerade die Menschen vergessen, die sich Sorgen machen angesichts einer immer komplexeren Welt. Und die aus dieser Sorge heraus Antworten erwarten.
Welche Antworten wären nötig?
Sie wollen wissen, ob ihre Kinder es besser haben werden als sie. Ob sie selbst angesichts des grossen Wandels künftig noch einen Job haben.
Aber findet man in Davos wirklich Antworten? Vor einem Jahr lachten hier alle über Trumps Wahlchancen. Die Menschen, die ihn wählten, scheinen hier vergessen zu gehen.
Im Gegenteil. Wir wollen uns auf diese Menschen konzentrieren. Zu Recht stellen sie die schwierigen Fragen. Es ist die Aufgabe des Weltwirtschaftsforums, die Fragenden mit jenen Menschen zusammenzubringen, die Antworten bringen müssen.
Für viele ist das WEF ein Ort, wo geredet wird, aber nichts daraus passiert.
Nehmen Sie die Angst vor neuen Technologien wie selbstfahrenden Autos. Wir haben uns sehr konkrete Gedanken über die Zukunft der Arbeit in der vierten industriellen Revolution gemacht. Wir haben Vorschläge, wie man sich ausbilden muss, um weiterhin Arbeit zu haben. Mit konkreten Massnahmen nehmen wir den Menschen viele Sorgen.
Aber den Populismus können Sie damit kaum kontern.
Populismus entsteht oft aus Furcht. Können wir zeigen, dass es eine Zukunft gibt mit einer besseren Ausbildung, dass neue Technologie neue Arbeitsplätze schaffen kann – dann ist das die beste Massnahme, um den Menschen ihre Sorgen zu nehmen.
Viele glauben weder Ihnen, den Politikern noch uns Journalisten. Warum liegt das WEF immer falsch?
Das Weltwirtschaftsforum hat schon früh wichtige Themen erkannt, nehmen Sie zum Beispiel nur die Digitalisierung, die Professor Schwab schon in den 80ern als Thema erkannt hat. Das Vertrauen kommt nur zurück, wenn wir gute Antworten auf diese komplexe Welt finden. Das geht nicht so schnell, und es ist nicht so einfach, wie wir uns das wünschen.
Freier Handel galt am WEF lange als Heilsbringer aller Probleme. Populisten gewinnen aber Wahlen, weil sie dagegen wettern. Muss sich Davos ändern?
Erstmals ist dieses Jahr der chinesische Präsident zu Gast in Davos – das Staatsoberhaupt der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt. Er redet über freien Handel und politische Öffnung in einer Zeit, in der sich die meisten Staaten eher nach innen orientieren. Das ist eine starke Botschaft.
Während der chinesische Präsident den freien Handel predigt, vereidigt Amerika einen Präsidenten, der ihn einschränken will. Löst China Amerika als Vorbild ab?
Es ist ein starkes Signal, dass die zweitgrösste Volkswirtschaft hier ist und für freien Handel einsteht. Zusätzlich reden wir in Davos darüber, wie der freie Handel ablaufen soll, damit alle davon profitieren können.
Nochmals: Ist China heute wichtiger als Amerika?
China ist heute wichtig, es ist die zweitgrösste Volkswirtschaft, ich will da kein Ranking machen.
Ist der Besuch des chinesischen Präsidenten Ihr persönliches Highlight?
Es ist sicherlich einer der Höhepunkte. Aber wir haben viele tolle Programmpunkte. Es ist gar nicht möglich, alle zu besuchen. Das WEF ist ein Gesamtkunstwerk.
Gleichzeitig liegt der Schatten von Trumps Amtseinführung über Davos. Laden Sie den neuen US-Präsidenten nächstes Jahr ein?
Selbstverständlich. Trump ist Präsident der grössten Volkswirtschaft der Welt. Sein Team ist ja dieses Jahr bereits mit seinem Berater Anthony Scaramucci vertreten.
Das WEF hat in den letzten zwanzig Jahren das Gegenteil von dem gepredigt, was Trump zum Wahlsieg verholfen hat. Wie stellen Sie sich auf die neue US-Regierung ein?
Wir sind eine unabhängige und unparteiische Plattform. Unser Ziel ist eine bessere Welt. Jeder, der sich an dieser wichtigen Diskussion beteiligen möchte, ist willkommen. Umso wichtiger ist es uns, parteipolitisch unabhängig zu bleiben.
Sie fürchten sich nicht vor Trump?
Jetzt warten wir mal die Inauguration ab, und dann werden wir sehen, wie er regieren wird. Pessimismus hat die Welt noch nie weitergebracht – Optimismus schon.