Von Peter Hossli
Macht teilt Donald Trump (70) derzeit im 26. Stock zu. Im Trump Tower in New York stellt der künftige US-Präsident sein Kabinett zusammen. Als Aussenminister, berichten etliche US-Medien, wolle er Rudolph Giuliani (72) einsetzen – als Gesicht Amerikas in der Welt.
Keiner war Trump im Wahlkampf treuer als er. Keiner griff Hillary Clinton (69) bissiger an als Rudy, wie ihn alle nennen.
Dabei schien seine Karriere im Herbst 2001 zu Ende. Wenige Wochen blieben ihm noch als Bürgermeister von New York. Revolverblätter beschrieben seine Affären, ausgeschmückt mit Zitaten einer betrübten Ex-Frau: Eine Chemotherapie habe ihm der Manneskraft beraubt, sagte sie.
Giuliani erntete Respekt
Dann änderte sich alles. Am 11. September 2001 flogen Terroristen Jets ins World Trade Center, stürzten New York ins Chaos. Giuliani blieb ruhig. US-Präsident George W. Bush (70) wirkte wie eine eingeschüchterte Maus, der Bürgermeister aber hielt nicht nur New York zusammen, sondern die USA – letztlich die Welt.
Er liess retten und Trümmer aufräumen. Mutlosen machte er Mut, vermittelte Mitgefühl, wirkte besonnen. Und erntete Respekt. «Rudolph Giuliani personifiziert für uns alle, was echter Mut bedeutet», lobte ihn damals der TV-Talker David Lettermann (69). Mit Churchill setzte ihn das Nachrichtenmagazin «Newsweek» gleich. «Wie Gott» wandle Giuliani durch eine geschundene Stadt, schrieb die «New York Times».
Aus dem herrischen war ein heroischen Mayor geworden. «Wenn sich jemals ein Mann einer schwierigen Lage gestellt hat und ihr gewachsen war, dann war das Giuliani», sagte der New Yorker Musiker Lou Reed (1942–2013). «Stark verbessert» hätte sich unter Giuliani die Lebensqualität. «New York ist jetzt eine der sichersten Städte überhaupt», so Reed. Es sei doch «toll, dass meine Freundin sicher nach Hause gehen kann».
Schwarze und Latinos an den Rand gedrängt
Zuvor waren gerade Künstler kritisch mit Giuliani. Der Hardliner schloss Freiräume, ging gegen Striptease-Clubs und Fussgänger vor, die bei Rot über die Strasse gingen. An jede Ecke stellte er Polizisten. Rasant sank die Kriminalitätsrate. Familien zogen zurück in die Stadt. Immobilienpreise schossen in den Himmel. Künstler mussten die Stadt verlassen, gingen von Manhattan nach Brooklyn und Queens. Als selbst diese Stadtteile zu teuer wurden, zogen sie nach New Jersey und Kalifornien.
An den Rand gedrängt wurden unter Giuliani die Schwarzen und Latinos. 41 Schüsse feuerten vier New Yorker Polizisten im Februar 1999 auf einen unbewaffneten afrikanischen Einwanderer. Monatelang demonstrierten New Yorker gegen Polizeigewalt. Bei jedem Volksaufstand dabei waren Fotos Giulianis, verunstaltet mit einem Hitler-Schnäuzchen.
Er scheffelte Millionen
Doch Image und Ansehen kehrten nach 9/11. Weltmännisch begleitete Giuliani in der Feuerwehrjacke jetzt Staatschefs zum Ground Zero. Mit Memoiren scheffelte er nach seinem Amtsaustritt Millionen. Er gründete eine Sicherheitsfirma. Mexico City heuerte ihn zur Verbrechensbekämpfung an. Er beriet Konzerne. Weltweit wurde er ein gefragter Redner, auch in der Schweiz.
Politisch aber trat er an Ort. Bereits im Jahr 2000 zog er seine Bewerbung als Senator von New York zurück. Weil er gegen eine gewisse Hillary Clinton (69) chancenlos war. 2008 wollte er US-Präsident werden, unterlag in den Vorwahlen der Republikaner aber Senator John McCain (80).
Nun geht Giuliani wohl nach Washington. Bereits unter den Präsidenten Gerald Ford (1913–2006) und Ronald Reagan (1911–2004) diente er im Justizministerium. Viele erwarteten daher, der einstige Mafiajäger und Staatsanwalt würde es nun führen.
Giuliani aber winkte ab. Ein letztes Mal will er Macht. Als Aussenminister wäre er zweitmächtigste Person in Washington – gleich hinter Trump.