Chaos zum Schluss

Spätfolgen einer Sexting-Affäre gefährden den Einzug von Hillary Clinton ins Weisse Haus

Von Peter Hossli

humaDie Agenten des FBI staunten, als sie den Laptop von Anthony Weiner (52) öffneten – und Tausende Mails von dessen Gattin Huma Abedin (40) fanden. Brisant daran: Seit Jahren arbeitet Abedin als engste Mitarbeiterin von Hillary Clinton (69).

In den letzten Tagen des US-Wahlkampfs richtet der Fund ein gewaltiges Chaos an. Am Freitag kündigte FBI-Direktor James Comey (55) an, die Ermittlungen gegen Clinton wieder aufzunehmen. Womöglich gebe es neue Beweise. Der mexikanische Peso stürzte ab, Aktien an der Wall Street verloren zwischenzeitlich ein halbes Prozent – weil die Wahlchancen von Donald Trump (70) zu steigen scheinen.

Von «der grössten Geschichte seit Watergate», redet Trump. «Das ändert alles.» Seine Anhänger johlten über Clinton: «Sperrt sie ein! Sperrt sie ein!» Trump spendete zehn Millionen Dollar für seinen eigenen Wahlkampf.

Clinton ist irritiert. Und fragt: Warum kommt das gerade jetzt, nur Tage vor den Wahlen? Von FBI-Direktor Comey verlangt sie, alles offenzulegen. In US-Medien sind die Ermittlungen das einzige Thema. Der Tenor: Clinton gerät plötzlich in Rücklage. Ihr sicher geglaubter Sieg ist gar nicht mehr so sicher.

Der Fall ist komplex. Als Aussenministerin wickelte Clinton ihren Mailverkehr über einen Privatserver ab. Weil das staatliche System zu kompliziert sei, sagt sie. Weil sie etwas verbergen will, sagen ihre Gegner.

Das FBI begann zu ermitteln, ob sie Staatsgeheimnisse gefährdete. Ergebnis: Zwar handelte Clinton fahrlässig, brach aber keine Gesetze. Justizministerin Loretta Lynch (57) sah von einer Anklage ab. Trump polterte: Als Präsident werde er gegen Clinton ermitteln. Tausende Mails habe sie gelöscht oder vor dem FBI versteckt.

Gibt ihm die neue Entwicklung nun recht? Nein.

weiner_postWeiterhin fehlen Hinweise, dass Clinton Mails zurückhielt. Oder dass sie Gesetze gebrochen hat.
Nicht sie ist Auslöser der Ermittlungen – sondern Ex-Parlamentarier Weiner. Also geht es um Sexting. Jahrelang hatte Weiner sexuell anzügliche Fotos von sich über Twitter an fremde Frauen geschickt. Ein Bild (links) zeigt ihn halb nackt neben seinem schlafenden Sohn.

Das FBI ermittelt, ob er an Minderjährige twitterte. Gattin Abedin trennte sich von ihm. Nun gefährdet Weiners Verhalten die Kandidatur ihrer Chefin.

Das FBI beschlagnahmte Weiners iPad, sein Telefon – sowie ­einen Laptop, den sich das Ehepaar teilte. Laut Recherchen des US-Magazins «Newsweek» führte Abedin vier Mail-Konten: Das offizielle des US-Aussenministeriums, eins von Yahoo, eins von Clintonmail sowie ein viertes, das sie mit ihrem Mann teilte.

Da Hillary Clinton ihre Nachrichten gerne auf Papier liest, druckte Abedin sie häufig für sie aus. Das System des Aussenministeriums sei dazu nicht geeignet. Also verschob Abedin einzelne Nachrichten in das Yahoo- andere an das Clintonmail-Konto. So kamen Mails des Aussenministeriums auf Weiners Laptop. Womöglich hat Abedin so ihre Sorgfaltspflicht verletzt.

Das FBI teilte dies so kurz vor den Wahlen mit, um nicht als befangen zu gelten. Rechtlich hat Clinton wenig zu befürchten. Die politische Schaden aber ist riesig. Selbst als Wahlsiegerin zöge sie angeschlagen ins Weisse Haus.

Derweilen stellen sich die USA auf eine höchst aggressive Schlussphase des Wahlkampfs ein.