Von Peter Hossli
Es ist eine amerikanische Tradition, so berühmt wie Apfelkuchen oder die Töffs von Harley-Davidson – das zweite TV-Duell der Präsidentschaftswahlen. Mit dem Volk diskutieren die Kandidaten über ernsthafte Angelegenheiten: wie das Land die Zukunft gestalten soll, was sich ändern muss.
Hillary Clinton (68) und Donald Trump (70)? Sie sprachen in der Nacht auf Montag über Sex, über Lügen, über Videos.
Ausgesprochen unterhaltsam zofften sich die beiden. Wie in einer Trash-TV-Sendung. Als sei er ein angeschossenes Tier, ging Trump auf Clinton los. Nannte sie «Teufelin», «Lügnerin», «ein Desaster», will sie «ins Gefängnis stecken». Politik? Sachthemen? An den Rand gedrängt.
So geriet die TV-Debatte zum bizarren Abbild des gesamten Wahlkampfs: Sie war erbärmlich, inhaltlich ging es um – nichts.
Ausser natürlich um die vulgären Aussagen, die Trump vor elf Jahren über Frauen machte. Um den privaten Mail-Server von Clinton. Um die Affären ihres Mannes. Um die Beleidigung von Schwarzen, Latinos und Behinderten durch Trump.
Mancher Amerikaner dürfte sich gefragt haben: Soll einer dieser beiden wirklich die USA führen? Wenn ja, und das ist die Tendenz: dann eher Hillary, weil sie weniger absurd auftritt.
Kein einziges Thema scheinen die beiden Kandidaten mit Passion zu verfolgen. Wichtige Voraussetzung für einen Präsidenten. Barack Obama (54) trat an, weil er gegen den Irakkrieg war. George W. Bush (70) glaubte daran, mit Steuersenkungen die Wirtschaft anzukurbeln. Bill Clinton (70) war beseelt von der Idee, die wirtschaftliche Mittelklasse zu stärken. Was ihm mit Bravour gelang. Ronald Reagan (1911–2004) verachtete den Kommunismus – und trieb die Sowjetunion dazu, die Mauer in Berlin niederreissen zu lassen.
Trump und Hillary Clinton? Nichts scheint die beiden zu packen. Sicher: Trump möchte eine Mauer entlang der US-mexikanischen Grenze bauen. Er will elf Millionen Menschen deportieren. Um neue US-Jobs zu schaffen, will er Zölle auf chinesische und mexikanische Güter einführen. Das sind allesamt Gaga-Ideen, die sich nie umsetzen liessen. Was er macht, das ist reine Bauernfängerei.
Clintons Motto lautet «Stronger Together», wir schaffen es zusammen. Letztlich ist es nur eine hohle Phrase, die eines verdecken soll: einen echten Grund, warum man sie wählen soll, kann sie nicht vorweisen.
Den hat auch das zweite TV-Duell nicht geliefert. Obwohl sich Clinton als Siegerin feiern lassen kann. Sie hat keine Fehler gemacht. Was schon genügt, gegen Trump zu triumphieren.
Der Tiefpunkt der Debatte lieferte Trumps Rechtfertigung für seine Prahlereien. Er habe ja nur schlecht über Frauen geredet. Kerle redeten halt so. Bill Clinton, ihr Gatte aber, habe Frauen schlecht behandelt. Schwer vorstellbar, dass irgendeine Frau so etwas goutiert.