Triumph für Trumps Vize

Mike Pence gewinnt das TV-Duell gegen Tim Kaine. Auch weil am TV die Fakten nicht so wichtig sind. Der Republikaner tritt staatsmännisch auf, der Demokrat vergriff sich beim Schminken und wirkt streberhaft.

Von Peter Hossli

pence_kaineDiese Runde geht an Donald Trump (70). Sein Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten hat das TV-Duell für sich entschieden – und zwar überraschend klar.

Besonnener, ruhiger wirkte Mike Pence (57). Weit telegener sah der Gouverneur von Indiana aus als Senator Tim Kaine (58), der Vizepräsidentschaftskandidat von Hillary Clinton (68).

Der Demokrat schien vor allem anfänglich nervös. Seine Sätze wirkten auswendig gelernt und somit wenig authentisch.

Offenbar verpasste Kaine das erste TV-Duell: er verhielt sich wie Donald Trump. Wiederholt fiel er dem Gegner ins Wort. Am TV wirkte das rüpelhaft. Zudem gestikulierte Kaine nervös mit Händen und Kopf, was ihn unsicher aussehen liess – wie ein Schuljunge vor der Prüfung. Pence hingegen wirkte staatsmännisch.

Dem Republikaner half das Medium. Am Fernsehen ist es wichtiger, wie jemand aussieht als was er sagt. Kaine argumentierte zuweilen klüger. Die Fakten hatte er auf seiner Seite. Aber er vergriff sich beim Schminken. Sein Gesicht wirkte rot, die rote Krawatte verstärkte diesen Effekt.

Gross beeinflussen dürfte die Debatte den Wahlausgang am 8. November nicht. Pence aber hat seine Pflicht erfüllt: er lenkt den Fokus ein paar Tage weg von den negativen Schlagzeilen über Trump.

Zudem dürfte sich mancher Republikaner am Schluss dieser Debatte fragen: «warum ist nicht Pence unser Kandidat für das Weisse Haus?»

Das waren die Highlight des TV-Duells:

Der beste Moment von Kaine: Er stempelt Trump zu einem Freund und Geschäftspartner des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Der zweitbeste Moment von Kaine: Es gelingt ihm, die wohltätige Ausrichtung der Familienstiftung der Clintons zu beschreiben und gleichzeitig die Stiftung von Trump als «Tintenfisch» zu desavouieren.

Der beste Moment von Pence: Nach einem Angriff von Kaine auf Trump, antwortet der trocken: «Das haben Sie aber lange auswendig gelernt, da hat es viele kreative Formulierungen drin.» Kaine ist als Streber entlarvt.

Der zweibeste Moment von Pence: Er redet über Abtreibung, was bisher im Wahlkampf kaum ein Thema war. Er betont: «Trump ist klar gegen Abtreibung.» Damit möchte Pence die frommen Wähler an die Urne bringen. Er weiss: Bleiben sie am Wahltag zu Hause, hat Trump keine Chance.

Der Wettbewerb der Beleidigungen: Pence wirft Kaine vor, seinen Chef Trump ständig zu beleidigen. Kaine wirft Pence vor, Trump beleidige Mexikaner, Frauen, Ausländer.

«Stärke»: Die knappe und klare Antwort von Pence auf die Frage, mit was Putin zu kontern sei. Er doppelt nach: «Hillary Clinton hat gesagt, Russland sei eine Priorität in Washington. Die Folge war die Invasion der Ukraine.»

Gleicher Meinung: Sowohl Pence wie Kaine sind der Meinung, es brauche dringend sichere Zonen für die Zivilisten in der kriegsversehrten syrischen Stadt Aleppo.

Obamas wunder Punkt: Pence greift Barack Obama – und somit Clinton – dort an, wo es wirkt: «Syrien implodiert, der IS kontrolliert Raqqa, die Welt ist unter Obama und Clinton unsicherer geworden.»

Das Reagan-Zitat: Ronald Reagan (1911 – 2004) ist der grosse Held der Republikaner. Reagan warnte einst davor, ein Wahnsinniger könne ein Atomarsenal kontrollieren und einen Krieg starten. Kaine: «Trump ist dieser Wahnsinnige.» Pence: «Jetzt sind Sie ganz tief gefallen.»

Das wirkungsvollste Zitat von Pence: «Trump ist kein geschliffener Politiker wie Tim Kaine und Hillary Clinton, er ist ein Geschäftsmann.»

Das wirkungsvollste Zitat von Kaine: «Wenn Trump sagt, Mexikaner seien Vergewaltiger, dann zeigt das, wer Trump wirklich ist.»

Der persönliche Moment: Der Katholik Kaine betont, er sei gegen die Todesstrafe. Als Gouverneur von Virginia habe er aber das Gesetz respektiert und Hinrichtungen durchführen lassen. «Auch wenn mir das persönlich immer schwer fiel.»

Zappelphilipp: Kaine schafft es nicht, 90 Minuten still zu setzen. Er spielt mit Notizpapier, schreibt Dinge auf, schüttelt den Kopf, streckt die Arme aus.

Streber: Kaine bringt viele vorformulierte Sätze. Im TV-Duell wirkt das aufgesetzt. Allerdings dürften die TV-Sender in den nächsten Tagen genau diese Zitate ausstrahlen. Das vielleicht wirkungsvollste: «Wenn Sie die Diktatur und die Demokratie nicht unterscheiden können, sind Sie am falschen Ort.»

Giftigster Schlagabtausch: Pence: «Wir müssen unser Militär stärken, die Russen und die Chinesen rüsten auf.» Kaine: «Trump will das Militär nicht stärken, er zahlt keine Steuern.»

Kaines schwächster Moment: Der Demokrat betont, Clinton sei bei der Suche nach und der Tötung von Terrorist Osama bin Laden beteiligt gewesen. Pence kontert: «bin Laden war der Kopf von Al Kaida, jetzt bekämpfen wir den IS.» Clinton und Obama seien schuld, dass sich der IS ausbreiten konnte. Kaine gelingt es nicht, das richtigzustellen.

Grrrrr: «Um den IS zu besiegen, muss man mit Alliierten zusammen arbeiten, Donald Trump kann nicht mal mit Miss Universe zusammen arbeiten, ohne sich in den Fuss zu schiessen.»

Körpersprache: Pence wirkt ruhig und kontrolliert, Kaine aufgekratzt und nervös. Zudem griff Kaine beim Schminken dagegen. Sein Gesicht sieht rot aus.. Pence provoziert Kaine, dieser lässt sich provozieren und sieht somit aggressiv aus.

Haare: Es ist eine alte Weisheit – um in der US-Politik erfolgreich zu sein, braucht es gute Haare. Jene von Pence sind zwar grau, aber er hat mehr davon, sie sind besser frisiert. Wichtiger Punkt für den Republikaner.

Keine Überraschung bei Trumps Steuern: Gemäss Kaine ist Trump ein Trickser; gemäss Pence ist Trump ein kluger Geschäftsmann.