2:9 im Narzissmus-Streit

Medienunternehmer Roger Schawinski muss zwei Stellen in seinem Narzissmus-Buch schwärzen. Doch grösstenteils bekam er im Streit mit Jörg Kachelmann Recht.

Von Peter Hossli (Text) und Pascal Mora (Foto)

schawinski_01Kläger Jörg Kachelmann (58) ist wütend. Unwahres und Verletzendes würde Roger Schawinski (71) in «Ich bin der Allergrösste» über ihn verbreiten, einem biografischen Band über Narzissten.

Als «Küchenpsychologie eines Neiders» schmähte der Schweizer Meteorologe Schawinskis Buch im Juni in der «Weltwoche» und wies seinen Anwalt an, gegen den Medienunternehmer in Köln (D) zu klagen. Elf Stellen müsse Schawinski schwärzen, forderte er beim dortigen Landgericht.

Nun fiel ein erster Beschluss, eine einstweilige Verfügung – Kachelmann verliert 2:9. Zwei Stellen muss Schawinski streichen, und zwar nur in Büchern auf dem deutschen Markt, neun können bleiben. Erhebt der Radio-Betreiber Einspruch und bekommt er recht, kann er die Kosten fürs Schwärzen bei Kachelmann einklagen.

Kachelmann, der vom selben Anwalt wie der türkische Präsident Recep Erdogan vertreten wird, ist zufrieden. «Das ist zunächst ein schönes Ergebnis, dass alle Bücher geschwärzt werden müssen, auch die ausgelieferten», sagt er zu SonntagsBlick. Zufrieden gibt er sich nicht. «Uns genügt das noch nicht, wir ziehen weiter, um weitere Punkte durchzusetzen. Herr Schawinski muss lernen, dass er keine Lizenz zum Lügen hat.»

Auch Schawinski sieht sich als Sieger. «Unter dem Strich ist es eine krachende Niederlage für Kachelmann, der 85 Prozent der Gerichtskosten tragen muss.» Schawinski prüft einen Rekurs. «Medien einzuklagen, ist ja seit Jahren Kachelmanns Geschäftsmodell, um so zu Schadenersatzzahlungen zu kommen.»

Aufgelegt hat Schawinski bisher 8261 Bücher, die meisten in der Schweiz. Diese Exemplare betrifft der Kölner Beschluss nicht. Aber der Autor muss in Deutschland bereits an Händler gelieferte Bücher zurückrufen, sie nachträglich schwärzen.

So etwa eine Stelle, die Kachelmanns Intimsphäre verletze. Auf Seite 100 steht: «Er enthüllte, dass er zeugungsunfähig ist.» Egal sei, dass Kachelmann einst vor Gericht sagte, zeugungsunfähig zu sein. Und Medien dies wiedergaben.

Schwärzen muss Schawinski zudem die Passage über ein Gerichtsverfahren Kachelmanns. Schawinski schreibt von «klarer Niederlage», dabei sei «der Ausgang des Prozesses noch offen».

Öffentlich bleiben dürfen die anderen beanstandeten Passagen. Sie stimmten faktisch, seien Meinungen des Autors und tangierten Kachelmanns Privatsphäre nicht.

Weiter verbreiten darf Schawinski über Kachelmann etwa: «Kurz vor dem Abschluss schmiss er aber sein Studium und volontierte beim SonntagsBlick.» Kachelmann störte sich am Verb «volontieren».

Das Gericht hält fest, «dass der Begriff ‹Volontär› ein geläufiger Begriff für eine journalistische Ausbildung ist.» Kachelmann lernte beim SonntagsBlick das journalistische Handwerk und verfolgte dabei sein Studium nicht weiter. Wahr sei zudem, dass Kachelmann seinen einstigen Chef Schawinski um ein Darlehen in Höhe von 1,5 Millionen Franken bat. Ungeschwärzt bleiben zwei Sätze zu Kachelmanns kompliziertem Liebesleben. «Noch ahnte niemand, dass er sich zudem ein raffiniertes Netz mit zahlreichen sexuellen Beziehungen aufgebaut hatte. Boulevardzeitungen sprachen von mindestens 14 Frauen.»

Der Kölner Beschluss: «Bei dieser Äusserung handelt es sich um eine wahre Tatsachenbehauptung, soweit Boulevardzeitungen sinngemäss jedenfalls von 14 Frauen sprachen.» Berichtet hätten dies «Bild», BLICK und «Bunte». Kachelmann mache nicht glaubhaft, dass er keine Beziehungen zu 14 Frauen innerhalb eines Zeitraums hatte, «sondern nur, dass er die Beziehungen zu den 14 Frauen nicht gleichzeitig unterhielt».

Kachelmann klagte gegen die Aussage, er habe einer «Glanz & Gloria»-Reporterin gesagt, bei 120 km/h Sex im Auto gehabt zu haben, «und es ist trotzdem zu keinem Unfall gekommen». Das Gericht beurteilt das als Tatsachenbehauptung und stützt sich auf eine eidesstattliche Erklärung des damaligen «Glanz & Gloria»-Chefs. «Es war Kachelmann selbst, der mehrere sehr private Dinge öffentlich gemacht hat, um sich damit Sympathien und Mitleid zu holen», sagt Schawinski. «Die hat er nun als Teil seines Intimbereichs eingeklagt. Ein solches Verhalten empfinde ich als stossend.» Er sei «fassungslos», dass «es in einem Punkt von einem deutschen Gericht gestützt wird».