Von Peter Hossli
Schön ist die Geschichte nicht, die derzeit die Runde macht. Sie handelt von der Fifa, von viel Geld, von einer Zeit, die im Weltfussballverband längst vorbei sein sollte. Wer sie erzählt, redet hinter vorgehaltener Hand.
Präsident Gianni Infantino (46) habe Reformer Domenico Scala (51) am Fifa-Kongress in Mexiko-Stadt «einen goldenen Fallschirm angeboten, damit er ohne Misstöne zurücktritt», sagt ein Insider.
Die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» beschreibt den Vorgang: «Mit Geld» sollte Scala «von einem geräuschlosen Rücktritt» überzeugt werden. US-Anti-Korruptionsexperte Michael Hershman will das «auch gehört haben».
Die Fifa, die so stolz auf dem Zürichberg thront, kommt nicht zur Ruhe. Obwohl der umstrittene Sepp Blatter (80) weg ist. Nachdem er den goldenen Fallschirm abgelehnt hatte, trat Fifa-Aufseher Scala mit Getöse als Präsident der Audit-&- Compliance-Kommission zurück. Ein Stein nach dem andern fiel. Am Schluss waren die Aufsichtsorgane der Fifa entmachtet. «Ein Rückfall ins Mittelalter Blatters», urteilt Strafrechtler Mark Pieth (63).
Es geht um das Gehalt von Präsident Infantino. Laut Fifa-Regeln setzt es der Entschädigungsausschuss fest, dem Scala in seiner Funktion vorstand. Tiefer als bei Blatter fixierte er den Lohn, bei zwei Millionen Franken, da Infantinos Pflichtenheft dünner ist.
Um eine Machtballung wie bei Blatter zu verhindern, wurden die Aufgaben auf mehrere Personen verteilt. Gestärkt wird die Rolle von Generalsekretärin Fatma Samoura (53). Sie verdient mehr als Infantino. Dem Walliser aber sind zwei Millionen nicht genug.
Demokratie wie in China
Nicht bekannt ist die Höhe der von Scala zurückgewiesenen Abfindung. «Dafür müssten normale Angestellte lange arbeiten», sagt einer, der sie zu kennen glaubt. Überstürzt liess Infantino in Mexiko darüber abstimmen, dass der ihm unterstellte Fifa-Rat künftig Mitglieder der Aufsichtskommissionen absetzen und ernennen kann. Empört trat Scala zurück.
Womöglich sei Vereinsrecht verletzt worden, sagt Pieth. «Änderungen müssten traktandiert werden.» Stattdessen habe Infantino «einen wirren Text kurz an die Wand projiziert. Wie beim chinesischen Volkskongress und wie einst bei Blatter sagten 98 Prozent Ja.»
Weltweit erntet Infantino nun Kritik. «Das erinnert an eine Diktatur», so die «NZZ am Sonntag». Von «totalem Verrat» spricht Ex-Fifa-Vizepräsident Prinz Ali bin Hussein (40): «Der Schaden, der jetzt der Fifa zugeführt wurde, ist unmessbar.» Dabei gilt der Jordanier als Infantinos Königsmacher. Ali empfahl ihn am Wahlkongress, als der Walliser chancenlos schien.
Wirklich überrascht all das nicht. Die Fifa scheint sich nur zu ändern, wenn die US-Justiz Druck ausübt. Von fünf Kandidaten, die Blatter im Februar beerben wollten, «gab es drei problematische und zwei schwache», sagte Fifa-Reformer Pieth damals. «Mit Infantino ist einer der problematischen gewählt worden», sagt er jetzt.
Bereits als Uefa-Generalsekretär eilte Infantino der Ruf voraus, Reformen unterdrücken zu wollen. Warum er das bei der Fifa tut, ist für Hershman unerfindlich. «Hört er auf Berater, ist er schlecht beraten. Trifft er Entscheide selber, ignoriert er die Fifa-Vergangenheit.»
Wenn Infantino wirklich versucht hat, Gegner wegzukaufen, «ist das komplett unethisch», sagt Hershman. «Infantino müsste wissen, dass man so etwas nicht im Verborgenen tun kann. Was bei der Fifa passiert, wird immer publik.»
Infantino hält sich bedeckt. Eine Einladung in die Sendung «Schawinski» nimmt er nicht an. SonntagsBlick stellte er ein Interview in Aussicht. Am Freitag sagte er ab. Schriftlich, wie zum angeblichen goldenen Fallschirm, wolle er Fragen «aufgrund seines dichten Programms» nicht mehr beantworten.
Dafür erscheint ein von Infantino verfasster Text in der NZZ: «Fakten statt Spekulationen» verspricht er; Anwälte segneten jedes Wort ab. Es sei nicht möglich gewesen, «genügend qualifizierte Kandidaten aufzustellen», begründet Infantino die Entmachtung der Aufsicht. Die Fifa-Führung müsse zudem in der Lage sein, «Personen, die ihre Aufgaben missbraucht haben und gegen die ermittelt wird, umgehend aus diesen Gremien» auszuschliessen.
Hershman hält das für unnötig: «Die Aufsichtsorgane der Fifa haben stets alle abgesetzt, die sie absetzen mussten.» Wie etwa Fifa-Ethiker Pedro Damiani (57) aus Uruguay, der in den Panama Papers auftauchte.
Sein Gehalt werde er verkünden, «sobald es feststeht», so Infantino in der NZZ. Dabei steht es doch längst fest.
Im Fall Infantino ist die Fifa-Ethikkommission gefordert
Liefert Gianni Infantino der Fifa-Ethikkommission Gründe, gegen ihn zu ermitteln? Punkt 13 des Reglements verpflichtet alle Fifa-Mitarbeiter zu «ethischem, würdevollem, absolut glaubwürdigem und integrem Verhalten». Sie dürfen «ihre Stellung insbesondere nicht für private Zwecke oder persönliche Vorteile ausnutzen». Punkt 18: «Sie müssen alle Situationen vermeiden, die zu Interessenkonflikten führen könnten.» Und: «Private oder persönliche Interessen umfassen jeden möglichen Vorteil für sich selbst, ihre Familie, Verwandten, Freunde und Bekannten.» Nun muss die Ethikkommission beurteilen, ob Infantinos Verhalten am Kongress in Mexiko-Stadt das Ethikreglement verletzte. Sollte jemand aktiv werden, könnte Infantino ihn jedoch absetzen. Kommissionssprecher Roman Geiser: «Zum Schutze aller Untersuchungen ist die Untersuchungskammer nicht in der Lage, Angaben zu machen, ob gegen eine Person eine Voruntersuchung eingeleitet wurde oder nicht.»