«Infantino ist schlimmer als Blatter»

Mark Pieth über die Gier des Fifa-Präsidenten: Der Schweizer Strafrechtler ist aufgebracht. Weil Fifa-Boss Gianni Infantino die Reformen beim Fussballverband «zerstört».

Von Peter Hossli

piethEs sind ungewöhnlich scharfe Worte für einen Professor: «Geldgier zerstört die Fifa-Reformen», so Strafrechtler Mark Pieth (63). Gier unterstellt er dem Präsidenten des Weltfussballverbandes Fifa, Gianni Infantino (46).

Zwei Millionen Franken Gehalt sind dem Walliser von der Fifa angeboten worden, eine Million weniger als sein Vorgänger erhielt. «Infantino will mehr», sagt Pieth.

Am Fifa-Kongress in Mexiko-City weigerte sich Infantino letzte Woche, den Arbeitsvertrag zu unterschreiben. Gleichzeitig versuchte er, jenen Mann zum Rücktritt zu drängen, der den Lohn festgesetzt hat: Domenico Scala (51), bei der Fifa Präsident der Audit-&-Compliance-Kommission. Und somit der Chefaufseher des Weltfussballs.

Doch Scala tritt nicht zurück, vorerst. Mit einem Trick hebelt ihn Infantino aus, schildert Pieth: Er lässt am Freitag die unabhängigen Aufsichtskommissionen der Fifa entmachten, etwa die Ethikkommission und Scalas Audit-&-Compliance-Kommission. Wutentbrannt verlässt Scala den Saal. Gestern Samstag tritt er zurück, «konsterniert» sei er über die Vorgänge.
Sein Rücktritt sei «ein Weckruf» für alle, die für Reformen bei der Fifa eintreten würden, sagt Scala.

Deutlicher spricht Pieth. «Mit dem Entscheid am Freitag ist der Reformprozess der Fifa zusammengeschlagen worden.» Er redet von «einem Rückfall in die düsteren Zeiten des Mittelalters von Blatter».

infantino_grossPieth fürchtet um sein Werk. Vor fünf Jahren begann er mit dem damaligen Präsidenten Sepp Blatter (80), die Fifa transparenter zu gestalten und mit unabhängigen Organen zu versehen. «Jetzt sind sie nicht mehr unabhängig.» Vo­rausgegangen sei ein abgekartetes Spiel. «Die Änderungen sind in letzter Minute vor der Abstimmung reingeschmuggelt worden», sagt Pieth. Fortan entscheidet allein der Fifa-Council über die Wahl und Absetzung der Mitglieder der unabhängigen Aufsichtsinstanzen. Faktisch verlieren sie ihre Unabhängigkeit. Denn Infantino kontrolliert den Council.

Es sei «unanständig», dass eine Lohnforderung ein solches Chaos bei der Fifa anrichte, findet Pieth. Der neue Fifa-Präsident, seit Februar im Amt, «demaskiert sich, Infantino ist noch schlimmer und plumper als Blatter». Pieth nennt ihn «einen Kontrollfreak, der wegräumt, was ihm nicht passt».

An der Pressekonferenz in Mexiko-Stadt sagt Infantino, sein Salär sei «nicht wichtig, und es ist noch nicht geklärt». Was, sagt Pieth, «schlicht nicht stimmt». Er verweist auf ­Scalas Angebot von zwei Millionen Franken. «Hätte sich Blatter so verhalten, die Weltpresse würde ihn gnadenlos angreifen.»

Die Fifa akzeptiere den Rücktritt von Scala, sagt Sprecherin Delia Fischer. «Die Fifa konzentriert sich weiterhin auf den Reform-Prozess.» Bezüglich Gehalt «verlasse ich mich auf die Aussagen des Präsidenten».

Nur «keinen Kommentar» sagt Ex-Fifa-Boss Blatter auf Anfrage zur Entmachtung der Aufsichtskommissionen. Er fügt an: «Ich freue mich, dass der Kosovo endlich als Fifa-Mitglied aufgenommen worden ist», so Blatter. «Das ist ein Dossier, das ich behandelt habe, und eine Angelegenheit, die mir am Herzen lag.»