Von Peter Hossli
Flughafen Genf Cointrin, Mitte letzter Woche. Eine Videokamera filmt, wie ein elegant gekleideter Mann mit Bart einen Jumbojet verlässt. Es ist Prinz Nasser bin Hamad al-Khalifa (29). Er soll in seiner Heimat Bahrain gefoltert haben.
Rückblende in den Arabischen Frühling 2011: Im Emirat Bahrain am Persischen Golf greifen Soldaten Regimekritiker an, sperren Hunderte ein. In der Klinik der Haftanstalt Manama kommt es zu Folter. Der Sohn des Königs selbst soll beteiligt gewesen sein: Zwei Gefangene, so heisst es, habe Nasser geschlagen, getreten und ausgepeitscht.
Diesen schlimmen Verdacht erachtet ein britisches Gericht als glaubwürdig. Es hebt am 7. Oktober 2014 die Immunität Nassers auf. Das ebnet den Weg, den Königssohn zu verhaften, ein Verfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzuleiten.
Noch ist Nasser frei. In Genf entsteigt der mutmassliche Folter-Prinz derselben Boeing 747, die seinen Vater Hamad bin Isa al-Khalifa (66) zum Staatsbesuch bei Bundespräsident Johann Schneider-Ammann (64) in die Schweiz fliegt. Kurz nur ist er auf dem Video zu sehen, das ihn ertappt. Die Nachrichtenagentur aus Bahrain schneidet ihn aus dem Bild. Auf der offiziellen Delegationsliste, die Bahrain der Schweiz übergibt, fehlt Nassers Name.
Er ist in die Schweiz geschlichen. «Wäre sein Besuch zuvor bekannt geworden, hätte das für viel Aufsehen gesorgt», sagt Sayed al-Wadaei (29) vom Bahrain Institute for Rights and Democracy. «Wir hätten Proteste organisiert.» Der Regime-Kritiker ist 2011 in Bahrain verprügelt worden, weist eine lange Narbe auf der Stirn auf, lebt in London im Exil. «Nasser folterte, er hatte wohl Angst, die Schweizer nähmen ihn fest.»
Nasser bleibt in Genf. Womöglich erledigt er Geschäfte, vielleicht kauft er Uhren. Seine Familie besitzt Milliarden Petro-Dollars. Der König fliegt im kleinen Jet nach Bern, wird mit militärischen Ehren von Bundesrat Schneider-Ammann empfangen.
Er heisst «Super-Nasser»
Nasser gilt als Hasardeur. Er rennt, schwimmt, reitet, fährt Velo. «Er will der beste Sportler des Landes sein», sagt Kritiker al-Wadaei. Der Kosename des Prinzen in Bahrain: «Super-Nasser».
Heimlich reise er, «weil er im Westen als dubiose Figur gilt. Die Foltervorwürfe wiegen schwer, die Schweiz ist bekannt dafür, dass sie aktiv gegen solche Personen vorgeht», sagt Nicholas McGeehan bei Human Rights Watch, ein Experte für die Golf-Staaten.
Bahrain habe «mit einer Demokratie nichts gemein», sagt er. «Es ist ein Land, in dem gefoltert wird, Menschen willkürlich ins Gefängnis kommen und zu langen Strafen verurteilt werden.» Die Menschenrechtssituation beschreibt McGeehan als «sehr beunruhigend, es gibt keinerlei Anzeichen einer Verbesserung.»
Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit wie Folter kann von allen Strafgerichten eingeklagt werden. Als Mitunterzeichnerin der Konvention gegen Folter müsste die Schweiz gegen Nasser aktiv werden. Auch deshalb reiste der Prinz wohl heimlich.
Erst durch SonntagsBlick-Recherchen wurden die Bundesbehörden auf Nasser aufmerksam. Nach Abklärungen bestätigen sie dessen Aufenthalt in Genf. Da keine Einreisesperre gegen ihn vorliegt, kann er unbehelligt den Zoll passieren. Inzwischen ist er wieder abgereist. Heimlich.