High Noon in Ohio

Warum Ted Cruz noch radikaler ist als Donald Trump – und warum vielleicht keiner der beiden republikanischer Präsidentschaftskandidat wird.

Von Peter Hossli

cruzTed Cruz (45) schrie in die Menge, was diese hören wollte. «Heute ist ein Wendepunkt!», beschwor der texanische Senator in der Nacht auf Mittwoch in der Stadt Milwaukee. Eben erst hatte er die Vorwahlen im US-Bundesstaat Wisconsin für sich entschieden. Der Triumph von Cruz hegt bei Republikanern die Hoffnung, den New Yorker Baulöwen Donald Trump (69) doch noch abzufangen – und einen anderen Kandidaten als Vertreter der Partei ins Rennen ums Weisse Haus zu schicken. Wobei es nicht unbedingt Cruz sein soll.

Der Texaner ist höchst unbeliebt innerhalb seiner Partei. Er gilt vielen als zu radikal und deshalb chancenlos, am 8. November im Duell gegen Hillary Clinton (68) bestehen zu können. Dann wählt Amerika den neuen Präsidenten. Cruz ist ein Waffennarr. Er hält den von Menschen gemachten Klimawandel für eine Mär. Aus seiner Sicht sollten Schwule und Lesben nicht heiraten dürfen. Er verachtet staatliche Institutionen und will die Steuerbehörde IRS abschaffen. Die strikte Trennung von Kirche und Staat will der fromme Predigersohn aber lockern. Um illegale Einwanderer von Mexiko fernzuhalten, sollen Soldaten und Drohnen die Grenzen bewachen. Flüchtlinge aus Syrien? Könnten unter Cruz in den USA keinen Schutz erhalten. «Beide Männer wären ein Desaster für Amerika», so der ehemalige US-Arbeitsminister Robert Reich (69). «Aber Cruz wäre das grössere Desaster.»

Zumal Cruz klüger und fokussierter eine radikale Politik umsetzen werde als der zuweilen fahrige Trump. Cruz wird bis zum Parteitag in Cleveland, Ohio, die nötige Anzahl Delegierter nicht erreichen. Bei Trump wird es knapp. Vieles deutet daher auf eine sogenannte «contested convention» hin – auf einen Parteikonvent im Juli, bei dem nicht im Voraus feststeht, wen die Partei zum Kandidaten küren wird.

Stattdessen könnte es zum High Noon in Ohio kommen. Zu einem dreitägigen Parteitag, an dem die Fetzen fliegen – und erst nach reichlich Gezänk und Gerangel ein offizieller Kandidat feststeht. Dabei entscheidet nicht der Wille der Wähler, sondern wer am besten taktiert.

Am meisten Stimmen im Rücken hat Trump. Bereits hat er mit Chaos und Krawallen gedroht, sollte nicht er zum Kandidaten gekürt werden.

Aus einem umkämpften Konvent kann aber auch einer hervorgehen, der bisher nicht kandidiert. Heiss gehandelt wird Paul Ryan (46), Mehrheitsführer im US-Repräsentantenhaus. Vor vier Jahren trat er an der Seite von Mitt Romney (69) noch als Vizepräsident an. Viele sahen ihn schon damals zu Höherem geweiht.

Zwar hat er nun abgewinkt. Viele deuten das aber als taktisches Abwarten. Immerhin hat Ryan das, was es braucht, um amerikanischer Präsident zu werden: gute Haare.