“Für meine Kinder kaufe ich nur Schweizer Aktien”

Der CEO von Notenstein La Roche über die Konsolidierung der Finanz­branche – und wie er das Geld seiner vier ­Kinder anlegt.

Interview: Peter Hossli und Guido Schätti; Fotos: Pascal Mora

adrian_kuenzi1Herr Künzi, wie lange wird Ihre Visitenkarte noch gültig sein?
Adrian Künzi: Wir sind sehr zufrieden mit unserem Namen. Er wird noch lange Bestand haben.

Zuletzt brauchten Sie oft eine neue Karte. Aus Wegelin wurde Notenstein, aus Notenstein Notenstein La Roche. Was sagt das über Ihre Branche aus?
Dass es eine grosse Dynamik gibt, und dass Neues entsteht. Der Strukturwandel bietet also Chancen.

Ihr Mutterhaus ist nochmals eine andere Bank, die Raiffeisen. Haben Sie nie Identitätsprobleme?
Ganz und gar nicht. Das verbindende Element unserer Gruppe ist das unternehmerische Denken. Das starke Mutterhaus im Rücken hilft uns, den Veränderungsprozess aktiv mitzugestalten.

Ihre Bank steht beispielhaft für den Umbruch des Bankenplatzes. Wen kaufen Sie als Nächste?
Eine Bank, die bezüglich Kultur und Kundensegment zu uns passt. Eine Bank wie die La Roche.

Bitte etwas konkreter!
Ich führe viele Gespräche. Die Anzahl der Institute, die in Frage kommen, ist überschaubar. Wir sprechen miteinander. Letztlich entscheiden aber die Eigentümer. Der nächste Kauf muss nicht in den nächsten sechs oder zwölf Monaten passieren. Wir haben keinen Zeitdruck.

Tatsächlich? Notenstein verwaltet 22 Milliarden Franken Vermögen – das ist weniger als die UBS pro Quartal an Neugeldern anzieht.
Alles ist relativ. Das ist deutlich mehr als andere Banken haben und liegt über der kritischen Grösse.

Wie viel streben Sie denn an?
Die Raiffeisen-Gruppe will ihre Erträge diversifizieren. Dazu baut sie selbst sowie mit Notenstein La Roche das Anlagegeschäft aus. Dafür sollten wir mittelfristig etwa 10 Prozent des Gruppengewinns beisteuern. Aktuell entspräche das rund 80 Millionen Franken.

Doppelt so viel wie derzeit!
Um diese Rolle in der Raiffeisen-Gruppe wahrzunehmen, müssen wir daher doppelt so gross werden.

Ambitiös. In welchem Zeitraum wollen Sie dies erreichen?
Realistischerweise in drei bis fünf Jahren.

adrian_kuenzi2Alle wollen kaufen, niemand will verkaufen. Ist die Konsolidierung etwa nur ein Wunschtraum?
Nein, sie läuft bereits. Viele kleinere Banken schreiben rote Zahlen, sie müssen handeln.

Man jagt – oder ist Gejagter. Ist die Notenstein auch im Visier?
Wir wären zwar ein attraktives Ziel. Raiffeisen verfolgt aber die klare Strategie, eine eigene Privatbank aufzubauen. Würden sie Notenstein La Roche verkaufen, wäre das eine Abkehr davon.

Pierin Vincenz hat immer davon geträumt, Vontobel und Notenstein zu verbinden. Wie wahrscheinlich ist das heute?
Das ist kein Thema. Beide Eigentümer haben klar gesagt, sie gingen im Private Banking eigene Wege.

Vontobel-Patron Hans Vontobel ist kürzlich verstorben. Zudem ist Pierin Vincenz nicht mehr Raiffeisen-Chef. Der Weg für eine Wiederannäherung wäre frei.
Da muss ich Sie leider enttäuschen. Raiffeisen will eine eigenständige Privatbank führen und nicht der Juniorpartner sein.

Die Digitalisierung stellt die Welt auf den Kopf. Wo lauert die Gefahr für die Finanzbranche?
Fintech-Firmen bereiten mir weniger Sorgen. Sie haben vereinzelt gute Produkte, aber weder eine starke Marke noch viele Kunden. Beides ist entscheidend im Bankengeschäft. Die Leute vertrauen ihr Geld nicht einem Start-up an, das seit einem halben Jahr im Markt ist.

adrian_kuenzi3Was aber, wenn Facebook oder Google ins Bankengeschäft einsteigen würden?
Davor habe ich viel mehr Respekt. Grosse Social-Media-Player sind starke Marken – die Leute vertrauen ihnen, sie haben viele User und kennen ihre Kunden gut. Schliesst sich ein Social-Media-Gigant mit einem Vermögensverwalter zusammen, könnte dies Sprengkraft für die Finanzbranche entwickeln.

Wie rüsten Sie sich dagegen?
Wir müssen als Bank zu den Besten gehören und in neue IT-Plattformen und digitale Lösungen investieren. Wir sind offen für Partnerschaften im Technologiebereich.

Sind Sie denn selber auf Twitter?
Zwar habe ich ein Konto, es fehlt mir aber die Zeit zu twittern.

Welche digitalen Angebote können Banken denn anbieten?
Bei der Darstellung von Portfolios gibt es gute Ansätze. Man kann simulieren, wie sich ein Portfolio in verschiedenen Situationen verhält.

Es reicht nicht mehr, Kontoauszüge auf Papier zu verschicken?
Uns beschäftigt die Frage, was die Kunden von morgen wollen, welche Erwartungen die Generation Y an eine Bank hat.

Wie unterscheiden sie sich von Ihrer Generation?
Sie hören viel mehr darauf, was ihre Freunde denken, was gerade im Internet diskutiert wird.

adrian_kuenzi_peter_hossli_guido_schaettiBraucht es da noch Analysten?
Vielleicht müssen wir künftig auch andere Bewertungen zulassen. Vielleicht ist nicht mehr nur die Meinung der Analysten relevant, sondern Investoren verlassen sich auf die Schwarmintelligenz im Netz.

Die Zinsen sind historisch tief, die Aktienmärkte haben verloren. Kunden sind zurückhaltend. Wie gehen Sie mit diesem schwierigen Umfeld um?
Es ist falsch zu sagen, das Umfeld sei heute besonders schwierig, man könne keine Rendite mehr erwirtschaften. Historisch betrachtet hat es viele Phasen gegeben, die deutlich schwieriger waren. Der Erdölschock der 70er-Jahre, die Grosse Depression, die beiden Weltkriege. Klar ist: Die Zinsen bleiben vorerst tief. Damit müssen wir klarkommen.

Wie legen Sie für Ihre vier Kinder Geld an?
Meine Kinder sind noch klein. Sie haben das grosse Glück, einen langen Anlagehorizont vor sich zu haben. Wer das hat, sollte in Aktien investieren. Für meine Kinder habe ich zu 100 Prozent in erstklassige Schweizer Werte investiert, also in Aktien von grossen Schweizer Firmen.

Weil Sie ein Patriot sind?
Wir haben wirklich gut geführte, erstklassige Firmen in der Schweiz. Diese sogenannten Champions erzielen ihre Umsätze weltweit.

Die Schweizer Firmen sind gut, aber sie sind stolz bewertet. Wäre es da nicht besser, in Schwellenländern zu investieren? Sie sind tief bewertet.
Priorität sollten gute Schweizer Aktien haben. Sie sind nicht zu teuer, gerade nach der Korrektur ist wieder ein gewisser Spielraum vorhanden. Zudem sind die Dividendenrenditen attraktiv. Beispielsweise sind Schweizer Pharmatitel im Moment attraktiv bewertet. Ausserdem sind viele der erfolgreichen Schweizer Firmen selbst in den Schwellenländern aktiv, so kann man indirekt partizipieren.

Wie viele Ihrer Kunden wohnen im Ausland?
Rund 70 Prozent haben den Wohnsitz in der Schweiz. Die anderen leben vor allem in den Nachbarländern, in Grossbritannien und in Osteuropa.

adrian_kuenzi4Und wie viele sind versteuert?
Seit dem Start der Notenstein ist Steuerkonformität zentral. Mit dem baldigen Beginn des automatischen Informationsaustausches für europäische Länder ist das Thema erledigt.

Das gilt aber nicht für Länder ausserhalb Europas.
Auch dort ist dieser Prozess schon weit fortgeschritten.

Nehmen Sie noch Schwarzgeld an?
Nein, nur versteuerte Vermögen.

Wer sind Ihre Schweizer Kunden?
Das ist sehr durchmischt. Zum Beispiel Zahnärzte, Anwältinnen, Kadermitglieder oder die Besitzerinnen eines KMUs.

Wie viel Geld muss ein neuer Notenstein-Kunde denn mitbringen?
Ab etwa 500 000 Franken lohnt es sich für den Kunden. Ab dieser Summe können wir Vermögensverwaltung so anbieten, wie wir das gerne tun.

Was tun Sie, damit die Schweizer Kunden steuerkonform sind?
Wir richten uns nach den Schweizer Gesetzen. Wir nehmen kein unversteuertes Geld an.

Wenn ein Kunde kommt, der unversteuertes Geld geerbt hat …
… dann nehmen wir es nicht an.

Sie sind ein nobler Privat-Banker. Wie kommen Sie damit zurecht, der hemdsärmeligen Genossenschaftsbank zu gehören?
Ihr Klischee ist zu einfach. Zur Raiffeisen gehört das Unternehmertum. Die Bank hat eben ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Wir ergänzen uns bestens.

Privatbanker sahen sich aber immer als etwas Besseres.
Der Privatbankier hat den Zenit wohl überschritten. Heute sind die meisten Privatbanken keine Kommanditgesellschaften mehr. Es sind AGs. Wichtig ist die Frage: Wer ist der beste Eigentümer?

Und Ihr Eigentümer ist gut?
Wir gehören einer Genossenschaft, die zwei Millionen Schweizern gehört. Das ist eine sehr gute Struktur. Sie ist stabil und sicher.

Geld ist der Rohstoff, mit dem Sie jeden Tag arbeiten. Wie geben Sie es am liebsten aus?
Für Kultur. Meine Familie ist sehr musikalisch. Mit vier haben die beiden älteren Kinder angefangen, Geige zu spielen. Wir reisen oft an Konzerte. Das ist für mich eine vernünftige Form, Geld auszugeben.

Wie oft sehen Sie Ihre Kinder?
Von Montag bis Freitag bin ich im Dauereinsatz für die Bank. Das Wochenende versuche ich für die Familie freizuhalten. Oft bin ich aber am Sonntagabend in der Bank, um die Woche vorzubereiten.

Und so kann man leben?
Jede Familie muss ihren Rhythmus finden. Für uns, für meine Frau, stimmt dieser Rhythmus.