Von Peter Hossli
Vorwahlen in Iowa sind eine amerikanische Kuriosität. Monatelang dreht sich die politische Debatte fast ausschliesslich um den flachen Bundesstaat im Mittleren Westen. Und doch gewinnt nach einem eigensinnigen Wahlprozedere bei den Republikanern meist ein Kandidat, der kaum Chancen hat, dereinst ins Weisse Haus einzuziehen.
Das war dieses Jahr nicht anders. Allerdings bleibt ein Sieger mit guten Aussichten, Kandidat der Republikaner zu werden: Marco Rubio (44). Der Senator aus Florida war in der Nacht auf Dienstag lachender Dritter. Als Verlierer verlässt Donald Trump (69) Iowa. Er hoffte zu gewinnen, allein, indem er sich in jeder Rede zum Sieger ausrief – «I’m a winner!»
Über Nacht ist Rubio, Sohn kubanischer Einwanderer, zum republikanischen Hoffnungsträger geworden. Die Konservativen glauben nun, mit ihm doch noch einen vernünftigen Kandidaten ins Rennen ums Weisse Haus schicken zu können.
Am meisten Stimmen – 27,6 Prozent – erhielt der texanische Senator Ted Cruz (45). Ihm gelang es, die Frommen im gottesfürchtigen Staat zu mobilisieren. Vor Auftritten spielte Cruz jeweils christliche Rockmusik. Den Wahlkampf für ihn macht sein Vater, Wanderprediger Rafael Cruz (76). Trump hingegen griff bei Bibelzitaten oft daneben. Zudem wirkten Cruz’ Angriffe auf Trumps «New Yorker Werte». Aus Sicht vieler Wähler im Mittleren Westen liegen Sodom und Gomorra heute in den Stadteilen Manhattan und Brooklyn.
Cruz wie Trump sind Hardliner. Trump geht mit Ausländerhass auf Stimmenfang. Cruz hat vor, die USA aussenpolitisch zu isolieren. Beide wollen illegale Einwanderer nach Mexiko deportieren. Mit solchen Positionen gelten sie als chancenlos in direkten Duellen mit der Demokratin Hillary Clinton (68) oder dem parteilosen Medienmogul Michael Bloomberg (73).
Verzweifelt suchte das republikanische Establishment deshalb nach einer Figur der Mitte. Nicht vom Fleck kamen jedoch die Kampagnen von Präsidententenbruder und -sohn Jeb Bush (62) und von Chris Christie (53), Gouverneur in New Jersey. Politische Strategen zweifelten derweil daran, ob der heimliche Favorit Rubio seinen jugendlichen Charme wirklich in Stimmen ummünzen würde.
Diese Zweifel hat der in Miami geborene Jurist eindrücklich weggeräumt. Er holte in Iowa 23,1 Prozent der Stimmen, nur knapp weniger als Trump, der 24,3 Prozent errang.
Prompt sieht ihn die Parteileitung als Retter, der Clinton schlagen könnte. Die Buchmacher setzen ihn an die Spitze der republikanischen Kandidaten. Mit 55 Prozent beziffern sie die Chance Rubios, Präsidentschaftskandidat zu werden. Trump sehen sie bei 25 Prozent.
Rubio hat, was Clinton fehlt: Jugend. Schon im Alter von 39 Jahren schaffte er den Sprung in den US-Senat, noch mit der Unterstützung der Tea-Party. Rasch begriff Rubio: Will er ganz nach oben, muss er sich von deren radikalen Positionen lösen. Etwa in der Frage der Immigration. Das scheint sich nun auszuzahlen. Sollte er nächsten Dienstag in New Hampshire sogar Trump überholen, ist Rubio die Nominierung fast sicher.
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«Überglücklich» sei sie, sagte Hillary Clinton, als ihr hauchdünner Sieg bei den Demokraten in Iowa Tatsache war. «Historisch» sei er. Letztes Mal hätte sie «weniger Glück» gehabt. So unterlag sie 2008 in Iowa dem späteren Präsidenten Barack Obama (54). Ihr Triumph hat einen bitteren Nachgeschmack. Die haushohe Favoritin schlug Senator Bernie Sanders (74) mit nur 0,3 Prozent Vorsprung. Sanders kommt vor allem bei Jugendliche an, die genug von der Clinton-Dynastie haben. Viele sehen den knappen Sieg als Weckruf für einen lethargischen Wahlkampf. Clinton weiss: sie hat einen echten Gegner. Sanders hat gute Chancen in seinem Nachbarstaat New Hampshire.
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