Auch ihr Harlekin tritt ab

2015 – Menschen, Emotionen & Schicksale: Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf verlässt die Politik.

Von Peter Hossli (Text) und Sabine Wunderlin (Foto)

ews12Es war eine dieser kurzen Begegnungen, die so viel sagen. Am Wahlsonntag, am 18. Oktober, treffe ich im Intercity Zürich–Bern Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf (59). Die Bündnerin studiert im unteren Abteil des Doppelstöckers Akten. Das Land befindet über ihr politisches Schicksal, sie arbeitet. Der journalistische Instinkt ist stärker als das ungeschriebene Gesetz, Bundesräte im Zug nicht anzusprechen. «Was erwarten Sie heute?», frage ich. Die Finanzministerin: «Sie verstehen, dass ich dazu jetzt nichts sage.» Tritt sie abends auf, wenn das Resultat bekannt ist? «Nein, aber bald kommt der Zeitpunkt, an dem ich öffentlich etwas sagen werde.»

Öffentlich etwas sagen? Das tönt, als trete sie demnächst ab.

Zehn Tage später tut sie es würdevoll und charmant – die Wahlniederlage ihrer Partei lächelt sie weg. Sie sagt, sie habe bereits früher entschieden, nach acht Jahren im Bundesrat auszuscheiden. Man hätte es ahnen können. Beim Interview Ende Mai hängt in ihrem Büro anstelle des Narren-Bildes von Alois Carigiet ein abstraktes Gemälde. Der Name des Künstlers fällt ihr nicht ein. Der Clown werde restauriert, danach bleibe er in Chur, sagt sie. Klar war da: sie geht.

Denn der Harlekin ist ihr Symbol, Glücksbringer und Begleiter. Er verdrängte 2008 Hodlers «Holzfäller» aus dem Büro von Christoph Blocher (75) – als sie ihn verdrängte. Ihre Wahl spaltete die Schweiz. Jetzt ist Widmer-Schlumpf weg. Andere müssen nun dafür sorgen, dass wieder Ruhe einkehrt.