Flucht aus der Schweiz

Das neue Asylverfahren erhöht die freiwillige Rückkehr. Das zeigt ein Testbetrieb in Zürich.

Von Peter Hossli (Text) und Sabine Wunderlin (Foto)

Asylbewerber verlassen zunehmend die Schweiz. Und zwar jene, die unter dem neuen Verfahren abgewickelt werden. Sie merken: die Schweiz ist ein hartes Pflaster. Zudem lohnt sich für sie die Rückkehr. Je eher sie gehen, desto mehr Geld erhalten sie.

Diese Schlüsse zieht das Staatssekretariat für Migration (SEM). Es führte bis Ende September in Zürich ­einen fast zweijährigen Testlauf durch. Behandelt wurden rund 2500 Asylgesuche. Die Resultate werden Anfang 2016 publiziert. Bereits jetzt sagt SEM-Sprecher Martin Reichlin, dass «Asylsuchende vermehrt und zu einem früheren Zeitpunkt im Verfahren die freiwillige Rückkehr wählen». Und das spart Kosten.

Ein Trend verstärkt sich also, den das SEM schon im ersten Testjahr feststellte. Somit greift die von Bundesrätin Simonetta Sommaruga (55) erarbeitete Praxis mit Gratis-Anwälten, schnelleren Verfahren und zentraler Abwicklung.

Der Test begann am 6. Januar 2014 auf dem Juch-Areal im Westen der Stadt Zürich. Die Unterkunft hat 300 Betten. Das SEM wählte Asylsuchende per Zufalls­prinzip aus. Im ersten Testjahr verliessen 23,5 Prozent die Schweiz unkontrolliert. Im regulären Betrieb waren es zwölf Prozent. Ebenfalls mehr als doppelt so hoch war der Anteil der Personen, die mit Rückkehrhilfe ausreisen: neun Prozent im Test gegenüber vier Prozent.

Der Hauptgrund: im neuen Verfahren erkennen viele Asylbewerber früh, ob ihr Antrag aussichtslos ist.

Und Geld spielt eine Rolle. «Ein degressives System der Rückkehrhilfe im Test­betrieb setzt einen Anreiz, ein Aslygesuch früher zurückzuziehen und freiwillig auszureisen», so Sprecher Reichlin. Was bedeutet: Je früher eine Person geht, desto mehr erhält sie: 2000 Franken, wer das Gesuch vor der Anhörung zurückzieht und ausreist. Wer vor dem Entscheid geht, kriegt 1000 Franken. Noch 500 Franken gibt es nach einer Ablehnung.

Die Asylbewerber wissen das sehr wohl, da ihnen kostenlose Anwälte zur Seite stehen und sie aufklären. Dank rechtlichem Beistand würden die Asylbewerber ihre «Chancen im Asylverfahren besser einschätzen», sagt Sprecher Reichlin. Stufen sie diese als gering ein, seien sie «offenbar eher bereit, Alternativen zum Asylverfahren in Erwägung zu ziehen». Also zu gehen.
Unter einem Dach wird das neue Verfahren abge­wickelt. Was die Ausreise zusätzlich beschleunigt. Asylsuchende können vom Anwalt direkt in die Beratung der Rückkehrhilfe gehen.

Die SVP hat vornehmlich wegen der kostenlosen Anwälte das Referendum gegen das neue Verfahren ergriffen.