Offen zur Welt

Der Hauptsitz von Ringier erlebt eine sanfte bauliche Neugestaltung. Diese steht für den Wandel der Medien. Das Pressehaus öffnet sich und wird zu einem Ort, wo sich die Arbeit und das Leben zunehmend vermischen.

Von Peter Hossli

ph1Ein Reporter sitzt im Schaufenster, sein offener Laptop steht auf einem edlen Tisch im Erdgeschoss des Ringier Pressehauses. Er schreibt ein Porträt über die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Hinter ihm hängt zeitgenössische Kunst.

Nebenan treffen sich zwei Ringier Controller zur Besprechung, vergleichen Zahlen und Tabellen, machen es sich in Sesseln bequem.

Ein paar Meter weiter trinken drei verschwitzte Radfahrer je einen Espresso, bestellen im «The Studio» Salate. Im selben Raum führt eine junge Moderatorin durch eine Live-Sendung von Radio Energy.

Im Schaufenster
Passanten auf der Dufourstrasse in Zürich beobachten durch grosse Fassadenfenster, wie Menschen im Pressehaus sich begegnen, nachdenken, arbeiten, essen und trinken. Arbeit und Leben vermischen sich.

Genau das sollte der Ringier-Umbau bewirken. Offener noch gibt sich der globale Medienkonzern durch den neu gestalteten Schweizer Hauptsitz.

Das Pressehaus, 1978 an bester Lage in Zürich eröffnet, beherbergt im Erdgeschoss nun eine Galerie, ein Café mit Radiostudio, dazu Sitzplätze zum Verweilen und Arbeiten.

Der Bauprozess
Anfang September 2015 erlebte das Haus sein «Grand Opening». Der Umbau begann im Frühling 2014. Am Anfang stand ein Bedürfnis: Radio Energy musste die Betriebstechnik erneuern. Ringier-CEO Marc Walder hatte die Idee, den Sender ins Pressehaus an die Dufourstrasse 23 zu holen. Darüber nicht begeistert waren anfänglich die Radiomacher. Sie fürchteten, die jugendliche Kultur des Senders passe nicht zur Presse und somit zur Tradition des Hauses. Hinzu kamen technische Zweifel: Lässt sich ein modernes Radiostudio überhaupt ins Pressehaus einbauen? Walder räumte die Bedenken aus – und sah Chancen. Alte und neue Medien sollten einander näher rücken, digitale und analoge Welten verschmelzen. Der CEO war die treibende Kraft hinter der Idee, neben dem Foyer ein Restaurant einzurichten, eine Beiz im Zürcher Seefeld, die nicht nur dem Personal, sondern allen offensteht.

Um Kosten zu sparen, sollte der Kiosk im Erdgeschoss verschwinden. Zumal er ein Relikt zu sein schien aus vergangenen Tagen, als die Presse florierte. Verleger Michael Ringier aber hängt am Kiosk, obwohl er betriebswirtschaftlich kaum Sinn macht. Der Kompromiss: ein kleiner, aber architektonisch hochwertiger Zeitungsladen neben dem Eingang.

Die Innenarchitekten von Retailpartners im zürcherischen Wetzikon planten den Umbau. Ihr Auftrag: Ringier soll sich öffnen. Entstanden sind im Parterre ein offener Empfang sowie «The Gallery» zur Rechten und «The Studio» zur Linken. In der Galerie wird zeitgenössische Kunst fassbar, im Studio zeitgenössisches Radio. Zudem ist das Pressehaus noch mehr ein Ort der Begegnung. Im edlen Restaurant treffen Journalisten auf ihre Leser, holen Radiohörer Tickets für Konzerte ab oder tauschen sich mit Moderatoren aus.

Sicherheit im Pressehaus
Betreten Besucher und das Personal den neuen Eingang, schreiten sie in eine offene Halle. Statt Metall verkleidet nur noch Glas das Parterre.

Anfang 2015 war diese Offenheit plötzlich gefährdet. Zwei Terroristen drangen in Paris in die Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» ein. Sie töteten zwölf Menschen. Den Planern des neuen Pressehauses schien Sicherheit nun wichtiger als Transparenz. Zuletzt aber entschied man sich doch für die offene Lösung. Ringier durfte sich dem Terror nicht beugen. Hinter dem Portier hängt nun die Entropie-Formel. Der Begriff existiert seit 1948 und steht für das Mass des durchschnittlich zu erwartenden Informationsgehalts einer Nachricht.

Im ersten Stock trat die Blick-Gruppe Platz an Radio Energy ab. Dort richtete Ringier ein komplett neues Radiostudio ein, mit modernster Technik und zeitgemässen Arbeitsplätzen. Energy-Chef Dani Büchi achtete auf jedes Design-Detail. Ihm war nur das Beste gut genug. Trotz Bedenken, der hochwertige Studioausbau könnte bei jenen Ringier-Mitarbeitern Neid entfachen, die ständig sparen müssen.

Wer wird Wirt?
Brücken errichten sollte der Umbau, etwa die Redaktionen von Blick und Radio Energy einander näher bringen. In einem Raum, so die Idee von CEO Walder, würden die Nerds beider Titel sitzen, damit sie gemeinsam die Digitalisierung von Ringier weiter vorantreiben. Bauliche Gründe verhinderten das Vorhaben – vorerst.

Nicht ganz einfach war es, einen Wirt für «The Studio» zu finden. Das gastronomische Angebot im Zürcher Seefeld ist vielfältig. Zudem betreibt Ringier mit dem Inside ein beliebtes Personalrestaurant im Pressehaus. Angefragte Gastronomen verlangten die Schliessung des Inside. Was Verleger Michael Ringier ablehnte. Nun führt die Zürcher Kramer Gastronomie das Ringier-Restaurant. Sie ist vertraut mit Ringier und dem Seefeld, die Gruppe betreibt auf der anderen Strassenseite das Hotel Europa und das Restaurant Quaglinos. In «The Studio» empfängt sie Gäste in einem ausgesprochen edlen Ambiente.

Die Böden sind mit feinstem Schiffsparkett belegt. Darauf stehen von Designern entworfene Stühle und Tische. An den Decken hängen eigens aus den USA importierte Lampen. Ein Elektriker musste sie von der amerikanischen auf die schweizerische Spannung umrüsten.

Gäste können kostenlos im schnellen Internet surfen, sie essen frische Salate, Suppen und belegte Brote, dazu feine Kuchen. An der Bar gibt es Bier und feine Weine, harte Drinks und starken Kaffee. Vor allem aber bietet der Raum einen Augenschmaus für Ästheten. Die Schreinerarbeiten sind hochwertig, ebenso der Gartenbereich mitsamt duftendem Lavendel, der in Kisten gedeiht.

Wie heisst das Pressehaus?
An der Wand hängt ein hoch auflösender Bildschirm, auf dem Energy-Konzerte übertragen werden. Kostenpunkt: 200 000 Franken.

Ein enger Gang führt vom Restaurant in «The Gallery», entworfen vom englischen Künstler Liam Gillick. Der Ort erinnert an das Museum of Modern Art in New York, ist eine Art Büro der Zukunft. Hier vermischen sich Geschäft und Lifestyle. Menschen halten sich ein paar Stunden oder wenige Minuten hier auf, fühlen sich auf edlen Möbeln wohl, lassen sich zu Ideen inspirieren – und gehen dann weiter. Die Orte kann man nicht reservieren, es kommen Menschen zusammen, die sich sonst nicht treffen. Und keine Hemmungen haben, von aussen beäugt zu werden.

Nicht nur äusserlich ändert sich einiges. Die Server-Technik im ersten Untergeschoss ist schon neu, die Zufahrt zur Garage wird neu. Das Budget für den Umbau betrug anfänglich 10,7 Millionen Franken.

Nach Ende des Euro-Franken-Mindestkurses war es das Ziel, den Umbau unter 10 Millionen Franken fertigzustellen. Was nicht ganz gelang.

Wie heisst das Pressehaus fortan? Noch stellen Journalisten darin Zeitungen und Magazine her. Die Presse aber steht nicht mehr im Zentrum. CEO Walder wollte das Haus in «Medienhaus» umtaufen. Verleger Ringier mag den traditionellen Namen. Der Kompromiss: Das Wort Pressehaus verschwindet von der Fassade, künftig soll dort nur noch das Ringier-Logo hängen. Das Pressehaus aber bleibt das Pressehaus.