Von Peter Hossli
Auf 14 Uhr hat die Fifa gestern zur Pressekonferenz geladen. Präsident Sepp Blatter (79) werde über Reformen beim Weltfussballverband reden. Kurz zuvor tritt seine Sprecherin vor die aus der ganzen Welt angereisten Reporter. Sie sagt: «Die Pressekonferenz beginnt erst um 15 Uhr.»
Um 14.53 Uhr verschickt die Fifa eine dürre Mitteilung: «Die Pressekonferenz ist abgesagt.» Gleichzeitig legten Mitarbeiterinnen frische Brötchen auf. Statt Sepp gibts Sandwiches. Die Fifa halte sie zum Narren, ärgern sich die Journalisten.
Doch dann liefert die Bundesanwaltschaft (BA) den Grund für Blatters Schweigen: Sie hat ein Strafverfahren
gegen den Walliser eröffnet. Während die Reporter warten, befragen ihn Juristen der BA – «als Beschuldigten». Und sie durchsuchen sein feudales Büro am Sitz der Fifa neben dem Zürcher Zoo. Dabei stellt sie Datenmaterial sicher.
Die BLICK-Frage, ob Blatter verhaftet wurde, will die Bundesanwaltschaft nicht kommentieren.
Bundesanwalt Michael Lauber (49) ermittelt in zwei Punkten. Zum einen wird Blatter verdächtigt, im Jahr 2005 die TV-Ausstrahlungsrechte der Weltmeisterschaften 2010 und 2014 unter Wert an den karibischen Fussball-Verband CFU verkauft zu haben. Das wäre ungetreue Geschäftsbesorgung.
Happiger ist der zweite Verdacht: Veruntreuung von zwei Millionen Franken. Blatter soll das Geld an Uefa-Präsident Michel Platini (60) gezahlt haben – für geleistete Dienste von Januar 1999 bis Juni 2002. Pikant: Blatter zahlte Platini die Millionen erst im Februar 2011.
Der Franzose half dem Walliser 1998 bei dessen Wiederwahl und wirkte bis 2002 als sein Berater. Danach kam Platini ins Fifa-Exekutivkomitee. Dereinst sollte er Blatter beerben. Nun schwärzt er ihn an: Platini redete gestern mit Juristen der BA – «als Auskunftsperson».
Das Verfahren gegen Blatter dauere zwei bis fünf Jahre, so ein renommierter Strafverteidiger zu BLICK. Zum Prozess käme es am Bundesstrafgericht in Bellinzona TI. Die nächste und letzte Instanz wäre das Bundesgericht in Lausanne.
Für beide Straftaten sieht das Recht eine Gefängnisstrafe von je fünf Jahren vor. Kann Blatter beides bewiesen werden, droht ihm eine maximale Strafe von siebeneinhalb Jahren, sagt der Jurist.
Blatters Verteidiger werden wohl auf Zeit spielen. Beide Vergehen verjähren 15 Jahre nach der mutmasslichen Tat. Die Fifa will mit der Bundesanwaltschaft kooperieren, für Blatter gilt die Unschuldsvermutung.
Bis im Februar wollte Blatter Fifa-Präsident bleiben. Tritt er nun sofort ab oder wird er suspendiert, dürfte der Kameruner Issa Hayatou (69)interimistisch übernehmen. Am 26. Februar 2016 will die Fifa in Zürich einen neuen Präsidenten wählen.