Eine trächtige Kampfkuh für Blatter

Der Fifa-Präsident erhält an seinem Fussballturnier im Wallis ein tierisches Geschenk, schiesst einen Pfeil auf Michel Platini ab – und lässt für seine Zukunft vieles offen.

Von Peter Hossli

kuhZärtlich krault Sepp Blatter (79) das schwarze Vieh. Wohl ist ihm dabei nicht. «Was, wenn die Kuh angreift», scheint er zu denken. «Da bin sogar ich sprachlos», stammelt der Fifa-Präsident. Verhalten sagt er «Danke».

Blatter, der an diesem heissen Samstag im Obergoms VS das «Sepp-Blatter-Turnier» stattfinden lässt, hat eine Kampfkuh erhalten. Sie heisst Colombo, ist sechsjährig, wiegt 650 Kilogramm, trägt wie jede richtige Kampfkuh einen männlichen Namen. Ihr Charakter? «Nie aufgeben», erklärt der Obergomser Gemeinderat Pius Zum-oberhaus (50). Er züchtet Kühe.

Colombo ist eine reinrassige Eringer, hat Kampferfahrung. Auf ihrem Rücken prangt die Zahl 18. Ob sie weiter stechen soll, das hat Blatter noch nicht entschieden. «Ich hoffe, es gibt viele kleine Colombos, die eine Fussball-Mannschaft bilden.» Hoffen darf er: Colombo ist trächtig, besamt von einem Stier mit gutem Stammbaum.

Sogar das gute Wetter schreiben sie ihm zu
Es ist Blatters 18. Turnier in Ulrichen. Vielleicht sein wichtigstes. Wie jedes Jahr ist es ein Volksfest. Amateure, Junioren und Frauen kicken mit. Am Abend spielen ein paar Altstars, die schon schlanker waren und mehr Haare hatten.

Etwas aber ist anders: Blatter erlebt das schwierigste Jahr seiner Karriere. Am 27. Mai verhaftete die Polizei im Morgengrauen in Zürich sieben Fifa-Funktionäre. Statt seine vierte Wahl als Fifa-Präsident zu feiern, sprach die Welt über Betrug und Korruption. Blatter sah sich gedrängt, sein Amt anzubieten. Ein Nachfolger soll im Februar gewählt werden. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Blatter wolle bleiben. Klar ist: Man weiss es bei ihm nie.

ccEs riecht nach Wallis im Spätsommer in Ulrichen – nach frisch geschnittenem Gras, wiederkäuenden Kühen, Schweiss von Wanderern und nach Abgasen. Kurz vor elf steigt Blatter aus der schwarzen Limousine, begleitet von Tochter Corinne. Er lächelt, wie er den ganzen Tag lächeln wird, trägt über das weisse Hemd ein schwarzes Gilet, dazu steife Jeans und dunkle Filzschuhe. Der runde Kopf glänzt in der heissen Sonne. Das hier ist sein Revier. Alle kennen ihn, alle mögen ihn. Sogar das gute Wetter schreiben sie ihm zu. «Danke, Sepp Blatter, für die Sonne», scheppert es aus Lautsprechern. Das Turnier trägt seinen Namen, ebenso die Stiftung, die es finanziert. Der Platz, auf dem die Spiele stattfinden? «Sepp Blatter Fussballplatz».

Interviews gibt er wenige, und doch hat es viele Journalisten. Deshalb lädt Blatter in die Mehrzweckhalle, an deren Decke Regenschirme hängen, die wie Fussbälle aussehen. Er gibt Auskunft auf Englisch, Deutsch und Französisch.

Zuerst korrigiert er die eigene Sprecherin, die sein Fest als «kleines Turnier» vorstellt. «Das ist ein grosses Turnier, und es geht um Fussball.» Was sich um Fussball dreht, ist nach Blatters Logik gross. Sein Grossvater sei in Ulrichen geboren, sagt der Visper.

Hier gebe es alles, was man zum Leben brauche. «Wasser, Felsen, Wind und Ruhe.» Er sei in «a good mood», sagt er auf Englisch, gut aufgelegt. «Die Sonne scheint, und es hat nette Ladys, die mir helfen.»

Er redet entspannt. «Die Fifa geht nicht unter.» – «Ja, die Fifa muss aus dieser Krise raus.» – «Ich stehe im Dienst des Fussballs, und der Fussball steht im Dienst der Menschen.» – «Dieses Turnier wird es noch geben, wenn ich nicht mehr Fifa-Präsident bin.» Den Druck halte er aus. «Schaue ich mich selber an, muss ich sagen: ich fühle mich gut.» Mehrmals sagt er: «I’m happy», er sei zufrieden. Rasiert hat er sich heute nicht. Weisse Stoppeln spriessen im Gesicht.

Wissen wollen Journalisten, warum Michel Platini (60) nicht kam, sein einstiger Freund, der ihn beerben möchte. «Er war eingeladen, alle sind eingeladen», sagt Blatter, ohne Platinis Namen zu nennen. «Aber er ist nicht gekommen.»

Im Fussball gehe es um mehr als persönliche Fehden. «In Afghanistan, in Syrien, im Irak spielen sie trotz Krieg Fussball, darum geht es.»

Wäre Platini geeignet als Fifa-Präsident, obwohl «Leichen in seinem Keller» lägen? «Da bin ich überfragt», sagt er. «Aus Respekt rede ich nicht über Kandidaten.»

kamerasStichelei gegen einen einstigen Freund
Und doch feuert er einen Pfeil ab: «Die Leichen werden ja untersucht.» Er selbst mische sich nicht in die Wahl ein. «Ich bin ja nicht der Kandidat.» Was, wenn keine wählbare Person gefunden wird? Steht er dann weiter zur Verfügung? «Ich bin der gewählte Präsident, demissioniert habe ich nie, ich habe mein Amt zur Verfügung gestellt. Gibt es keinen Nachfolger? Ich weiss es nicht, es gibt ja einen Präsidenten.» Das tönt kryptischer, als er es sieht. Blatters Wahrheit: Er ist aktuell der Fifa-Präsident. Braucht es ihn nach der Wahl im Februar immer noch, liesse Blatter die Fifa bestimmt nicht im Stich.

Mehr will er nicht sagen, er will feiern. Und das ist anstrengend als Sepp Blatter am «Sepp-Blatter-Turnier». Ständig sind Kameras auf ihn gerichtet. Die Lippen müssen oben bleiben, die Augen offen und frisch, zuweilen schafft er nur ein verkniffenes Lächeln. Er trinkt viel Wasser, meidet den Weissen.

Er schüttelt Hände, gibt hier ein Küsschen, dort einen Klaps auf Schultern, hält für Selfies mit Teenagern hin, posiert für Fotos bei alten Männern. Er herzt eine junge Frau, zieht dafür extra den Strohhut aus. Sie erliegt Blatters stärkster Waffe – seinem Charme – und errötet.

Er setzt sich an den einzigen Tisch, über den ein Zelt aufgespannt ist. Es spendet Schatten. Im Laufe des Tages kommen sie alle vorbei, seine Freunde, darunter viele Walliser, viele alte Fussballer, Brigger, Bregy, Constantin, später Köbi Kuhn. Einige fehlen. Ottmar Hitzfeld, Franz Beckenbauer, eben Platini. Es seien weniger Leute hier als sonst, erzählen jene, die in anderen Jahren da waren. Die Bänke aber sind am Nachmittag besetzt.

Nie weicht Blatters Tochter von seiner Seite. Zwei Bodyguards beschatten ihn. Ein gross gewachsener Kerl mit Bürstenschnitt deckt die Rechte, eine burschikose Frau mit kräftigen Armen die Linke.

kaelinEr wirkt unermüdlich – und froh, daheim zu sein
Fussball ist eher Nebensache. Kinder japsen auf einer Spielburg, schiessen Bälle auf die aufblasbare Torwand, sie töggeln. Zwar rollt der Ball auf dem Rasen, vor allem aber fliessen Fendant und Bier. Bratwürste brutzeln, Raclette-Käse zieht Fäden. «Fertig» trinken die meisten ihren Kaffee.

Auf dem Grill fehlen Cervelats, die Prominenz ist rar. Im knallgelben Hosenanzug schlagert Monika Kaelin (60) «Alpenboy» und «Noch ein Tor». Gatte Fritz Künzli (69) plaudert beim Bier. Fifa-Anwalt Claudio Sulser (59) führt den Hund spazieren. Eine Ansage erntet Lacher: «Vermisst wird die Tasche mit den Utensilien des Linienrichters.»

Unermüdlich erfüllt Blatter Wünsche, unterzeichnet Dächlikappen, sein Bodyguard reicht ihm einen Filzstift. Nie scheint er müde. «Das isch Läbe», sagt er, herzt noch eine Frau. Er ist froh, daheim zu sein, weit weg von allem.