Amerika geht in sich

Nach dem Blutbad von Charleston beginnen die USA endlich über Rassismus zu sprechen.

Von Peter Hossli

roofDylann Roof (21) ermordete am Mittwoch in einer Kirche neun Schwarze. Bevor er schoss, sagte er: «Ich muss das tun. Ihr vergewaltigt unsere Frauen und übernehmt unser Land.» Nun sind Bilder und Texte aufgetaucht, die ihn als üblen Rassisten entlarven.

Das Blutbad zwingt Amerika, sich endlich mit seinen Ursünden zu befassen – der Sklaverei und dem tief sitzenden Rassismus: Die Kirche, in der Roof um sich schoss, brannte 1822 nieder. Sklaven hatten dort einen Aufstand geplant. Sie steht in Charleston, Bundesstaat South Carolina, dem einstmals grössten Sklavenmarkt der USA. Überall flattert hier die Flagge der Südstaatler – das Symbol der Sklaverei. Highways tragen Namen bekennender Rassisten oder von Südstaatengenerälen. Die hätten Schwarzen nicht einmal das Autofahren erlaubt.

Vielen Amerikanern wird allmählich klar, dass sie sich partout nicht mit dem komplexen Verhältnis zwischen Schwarz und Weiss befassen wollen. Der US-Komiker Jon Stewart (52) sagt – und er meint es ernst: «Es klafft bei uns eine tiefe rassistische Wunde, die nicht heilen will, und wir tun so, als existiere sie nicht.»

Jetzt debattiert das Land, ob die Bluttat ein terroristischer Akt war. Warum sich die USA mit riesigem Aufwand vor Dschihadisten schützen, nicht aber vor Rassisten wie Roof. Braucht es strenge Waffengesetze? Oder lockere? Waffennarren schieben dem ermordeten Pastor die Schuld zu, weil er in seiner Kirche das Tragen von Waffen untersagte.

Erstaunlich: Nirgends brennen Häuser und Autos – wie noch vor kurzem, als Schwarze auf die Gewalt weisser Polizisten mit Zerstörungen und Plünderungen reagierten. Beruhigend wirkte, dass Angehörige der Opfer – gläubige Christen – dem Täter vergeben haben. Und dass Roof kein Polizist war, also nicht für den Staat arbeitete.