500 Jahre Hass

Ein Weisser tötet neun Schwarze in einer Kirche in Charleston. Es ist die Geschichte Amerikas.

Von Peter Hossli

Dylann Storm Roof (21) betritt die Kirche, setzt sich. Eine Stunde redet er mit betenden Besuchern. Dann eröffnet er das Feuer und schiesst auf zehn Menschen. Neun sterben, sechs Frauen, drei Männer. Alles Schwarze. Die Tat erschüttert Amerika. Sie geschah in der Nacht auf Donnerstag.

Gestern fasste die Polizei den schmächtigen Mörder gut 300 Kilometer nördlich vom Tatort. Sein Motiv? «Er mordete aus Hass», sagt der Polizeichef. «Er wollte gezielt Schwarze töten», sagt eine Augenzeugin, die er bewusst am Leben liess. Roof sagte zu ihr: «Ich muss das tun. Ihr vergewaltigt unsere Frauen und ihr übernehmt unser Land.»

Ein weisser Rassist bringt Schwarze um, weil er sie hasst. Es ist eine Geschichte, die Amerika seit 500 Jahren nicht loslässt. Es ist die Geschichte Amerikas.

Typisch, dass sich das neueste Kapitel in Charleston abspielt. Einst war die schmucke Südstaaten-City grösster Handelsplatz für Sklaven. Noch immer flattert am Regierungsgebäude die Flagge der Konföderation, das unverkennbare Symbol der Sklaverei.

Die Emanuel African Methodist Episcopal Church, der Tatort, ist eine der ältesten schwarzen Kirchen Amerikas. Als Sklaven 1822 einen Aufstand planten, brannten Gutsherren die Kirche nieder. 1962 redete Bürgerrechtler Martin Luther King Jr. hier.

Wie ein eitriger Stachel steckt das Vermächtnis der Sklaverei im Selbstverständnis Amerikas.

Die Bluttat in Charleston bringt an die Oberfläche, was überall im Land brodelt: Rassismus. Der ist in den USA nicht überwunden. Wie sollte er auch?

Freiheit, das Fundament des amerikanischen Traums, gehörte nie ins Bewusstsein und lange nicht zur Realität der Schwarzen. Als Einzige kamen die Afrikaner nicht freiwillig in die Neue Welt. Straflos vergewaltigten Weisse Sklavinnen. Lachte aber ein Sklave eine weisse Frau an, hing er bald am Strang.

Nie hat sich Amerika für diese Gräuel entschuldigt. Auch US-Präsident Barack Obama nicht – der erste Schwarze, der im Weissen Haus seinem Land und nicht seinem Meister dient.