Von Peter Hossli
Die Frage wirkte damals sonderbar: «Reist Sepp Blatter nun noch an die Frauen-WM nach Kanada?», fragte ich vor einer Woche bei der Pressekonferenz am Fifa-Hauptsitz in Zürich.
Stunden zuvor waren im Hotel Baur au Lac sieben Fifa-Funktionäre verhaftet worden. Zweitrangig schienen da Reisepläne des Fifa-Präsidenten. Der meist souveräne Fifa-Sprecher Walter de Gregorio (50) stockte. Klar gehe der Präsident an die WM, «nicht zur Eröffnung, aber ans Finale.» Am 5. Juli in Vancouver. Blatter habe ja mit all dem nichts zu tun. «Er ist überhaupt nicht beteiligt.»
Heute Morgen tönt es anders: «Sepp Blatter wird vorerst bestimmt nirgendwohin ausreisen», lässt de Gregorio über den «Tages-Anzeiger» verlauten. Die WM in Kanada findet daher wohl ohne den grossen Förderer des Frauenfussballs statt.
Der Gesinnungswandel zeigt, wie ahnungslos die Fifa vor Wochenfrist noch war, wie sie die Wucht der US-Justiz unterschätzte – und kaum wusste, dass kein Land Personen rascher in die USA ausliefert als Kanada.
Neu lautet die Frage: verlässt der 79-jährige Blatter jemals wieder die Schweiz?
Denn der Walliser steht selbst im Fokus der US-Ermittlungen gegen den Weltfussball. Ins Visier genommen haben ihn das FBI sowie US-Staatsanwälte – «in Sachen Korruption», so die «New York Times».
Was heisst das für den quirligen Sport-Funktionär? Im guten Fall wollen die Amerikaner ihn als Zeugen befragen. Im schlechten Fall haben sie genug in der Hand und reichen eine Strafanzeige gegen ihn ein. Dann würden sie ihn zu einer ersten Anhörung vor US-Gericht zitieren. Erschiene er dort nicht, schrieben sie ihn zur Fahndung aus. Ihm blieben dann noch Nordkorea oder Kasachstan als Reiseziele. Solch garstige Staaten liefern keine Flüchtigen in die USA aus.
Blatter droht, was dem Ex-UBS-Banker Raoul Weil (55) widerfuhr. Die USA schrieben ihn 2009 zur Fahndung aus. Vorwurf: Steuerbetrug. Als Weil im Oktober 2013 in Bologna in ein Hotel eincheckte, verhafteten ihn Carabinieri und lieferten ihn in die USA aus. Ein Gericht in Florida sprach ihn frei.
Wo Blatter jetzt noch hinkann
Gegen hundert Länder haben mit den USA ein Auslieferungsabkommen. In diese sollte Sepp Blatter bis auf weiteres nicht reisen. Sorglos Ferien machen kann er aber in Bangladesh, Burkina Faso und Afghanistan. Schafft er es, ohne italienischen Boden zu betreten in den Vatikan, kann er den Papst treffen. Er darf Flüchtlinge im Libanon besuchen oder friedensstiftende Matches in Syrien, Jemen und Libyen organisieren. An die WMs in Russland und Katar kann er reisen.
Beide liefern niemanden an die USA aus.