Das System der Lynch-Justiz

In den USA ist Fussball Randsportart. Warum knüpft sich Justizministerin Loretta Lynch die Fifa vor?

Von Peter Hossli

lynchDer Auftritt in Brooklyn war furios. «Wir trocknen den Sumpf aus», sagte gestern US-Justizministerin Loretta Lynch (56) vor der Presse – und legte 14 Fifa-Funktionären schwerste Anschuldigungen vor. Bestechung. Korruption. Organisiertes Verbrechen. Sie nannte Namen. Sie pries die Zürcher Polizei. Sie zeigte Beweise. Sie forderte für jeden bis zu 20 Jahre Knast.

Die Welt staunte. Eine Frau aus einem Land, das von «Soccer» spricht und davon fast nichts versteht, zerlegt den Weltfussball-Verband. Etwas, was deutsche und britische Politiker sowie bissige Journalisten jahrelang versuchten. Woran sie aber kläglich scheiterten.

Dabei war das ein ganz normaler Tag in den USA. Während wir Europäer schwatzen und schwadronieren, gehen Amerikaner sofort und nur mit dem Recht zur Sache. Probleme lösen sie vor Gericht. Und zwar seit der Staatsgründung. Weil die Neue Welt weder Monarchie noch Kirche als Autorität kannte, stammen US-Regeln von der Verfassung.

Bereits 1832 pries der französische Gelehrte Alexis de Tocqueville die USA als «Land der Anwälte und Richter».

Abgesehen vom Militär hat kein Bereich der US-Verwaltung mehr Geld als die Justiz. Gewinnt ein Staatsanwalt grosse Fälle, steigen Ansehen und Aufstiegschancen. Offiziell ist Lynch der «Attorney General» der USA – also oberste Anklägerin. Im Gegensatz etwa zur Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga (55) klagt Lynch selber an.

Um sich zu profilieren und ihre Karriere zu beflügeln. Lynch – erst seit Ende April im Amt – hat es eilig. Tritt US-Präsident Barack Obama (53) im Januar 2017 ab, ist ihre Zeit vorbei. Ein spektakulärer Fall wie die Fifa erhöht ihre Chance, danach oberste Bundesrichterin zu werden. Mit Fussball hat all das wenig zu tun.