Die Strippenzieher

Der Fall Markwalder rückt eine diskrete Branche ins Rampenlicht – die Berater mit Macht.

Von Peter Hossli

Wird es ungemütlich, sind sie zur Stelle.Wenn ein Bundesrat nicht alle Steuern bezahlt haben soll. Ein Offizier im Puff gewesen sei. Wenn die Frau des Präsidenten der Nationalbank mit Dollars handelt. Und der Ex-Präsident der Nationalbank sich dann von ihr trennt. Wenn ein Fleischhändler ungarisches Geflügel als Schweizer Poulet verkauft. Und sie sind da, wenn ein russischer Oligarch am Zürichsee leben möchte.

Es sind Männer fürs Grobe, stille Strippenzieher: die Berater und Lobbyisten mit Macht.

Sie tragen feines Tuch, ihr Tun aber ist unverblümt. Wer sie anheuert, ist in Not oder will etwas verkaufen – und zahlt viel.

Honorare von 5000 Franken pro Tag sind nicht selten. Berater räumen Sauereien weg, sie lösen Krisen auf, beeinflussen Journalisten, lobbyieren im Bundeshaus. Sie polieren den Ruf entgleister Würdenträger.

Ihre Firmen tragen Namen, die kaum einer kennt: Konsulenten, Dynamics, Burson-Marsteller. Ihr Kapital ist ihr Netzwerk. Ihre Waffen sind kluge Worte und kühler Charme. Zuweilen drohen sie mit Klagen.

Es sind unsichtbare Lenker. «Kunden kommen auch zu uns, weil sie wissen, dass nie jemand erfährt, dass wir für sie arbeiten», sagt Hans Klaus (48), der mit alt Bundesrätin Ruth Metzler (50) eine Agentur betreibt.

Gift für die Zunft
Jetzt macht der Fall Markwalder das Geschäft öffentlich. «Die ganze Branche ist in Aufruhr», sagt Politikberater Mark Balsiger (48). «Als am Mittwoch der NZZ-Artikel über Christa Markwalder erschien, sind alle kurz zusammengezuckt.» Von «schwarzen Tagen» für Lobbyisten und Berater redet er. «Gift» sei der Fall für die Zunft.

Die Schuld schieben nun viele der Berner Nationalrätin zu, die ihnen das einbrockt haben soll: «Schwer nachvollziehbar, was sie gemacht hat», sagt Sacha Wigdorovits (62), Inhaber der Agentur Contract Media. «Wie kann eine erfahrene Politikerin so naiv sein?»

Bei Ländern wie Kasachstan – das wisse jeder – müsse man aufpassen, sagt einer, der dick im Geschäft ist, aber anonym bleiben will. Er weiss, wovon er spricht: Oligarchen zählen zu seinen Kunden. «Es ist eine neue Dimension, wenn Vorstösse im Ausland angepasst werden.»

Daniel Heller (55) von der Agentur Farner stimmt zu. «Vom ersten bis zum letzten Satz fliesst viel externe Arbeit in die Arbeit von Parlamentariern.» Aber: «Politiker müssen verstehen, was sie einreichen. Die meisten tun es ja auch.» Der Einfluss der Lobbyisten in Bern? «Allumfassend», sagt einer, der Einfluss hat. «Alle wirtschaftlichen Vorstösse in Bern kommen aus irgendeiner Küche.»

Balsiger ergänzt: «In allen politischen Feldern wird externe Hilfe systematisch beigezogen.» Das heisst: Jeder Vorstoss in den Berner Räten ging durch die Hände von Lobbyisten. Linke, Mitte und Rechte tun es, Bauern, Gewerkschafter, SP, FDP, CVP, SVP, BDP, Grüne, Grünliberale.

«Was Markwalder passierte, kann jeden Parlamentarier treffen», so Balsiger. «Das Verhältnis zwischen Parlamentarier und Lobbyist ist wie eine eingespielte Ehe.» Alle sind per Du. Alle profitieren. Kontrollen fehlen. Es gibt den Lunch, das Bier, man trifft sich in der Wandelhalle, unter den Lauben. Lobbyisten kassieren von Firmen, von Branchen, von Verbänden. «Wir denken mit und entwerfen in Absprache mit Mandanten Vorschläge», sagt Balsiger. «In meiner Agentur sind Parlamentarier keine Briefträger. Die Vorstösse stammen aus ihren Federn.»

Direkt bezahlen lassen sich Politiker nicht. «Lobbyisten helfen Parlamentariern, sich zu profilieren», sagt ein Berater. Und ebnen den Weg in den Bundesrat. «Parlamentarier erhalten Zugang für Vorstösse.» Aus dem Ausland kommen sie kaum. «Wenige Staaten haben Interessen in der Schweiz», so ein Berater. Viel passiere bei Vergaben von Olympischen Spielen und Fussball-WM. Fifa und IOK sitzen in der Schweiz.

Die Konsulenten machten PR für Liechtenstein, als dort das Bankgeheimnis zerbrach. «Zurzeit haben wir keine Mandate für ausländische Regierungen», sagt Burson-Marsteller-CEO Matthias Graf. Jedoch «eine Reihe international operierender Kunden».

«Wir haben Mandate ausländischer Firmen, aber nicht von Regierungen», sagt Farner-Partner Heller. «Für autokratische Regime fehlt die Mehrheit in der Geschäftsleitung.» In den Siebzigerjahren klopfte Irans Schah Pahlavi (1919–1980) an. Er bangte um seinen Ruf. «Das hätte viel Geld gebracht, Farner lehnte ab», so Heller. Aus Angst ums eigene Image.

Doch ist all das schlecht? «Lobbying und Korruption sind nicht das Gleiche», sagt Wigdorovits. Es sei «nicht nur legitim, sondern erwünscht», dass Schweizer Firmen, Verbände und NGOs ihre Anliegen den Volksvertretern darlege. «Wenn diese wissen, wo der Schuh drückt, nehmen sie ihr Amt besser wahr. Das dient allen.»

Von der Interessenvertretung anderer Länder «sollte ein Parlamentarier aber die Finger lassen», sagt er. «Hat ein Staat ein Problem, soll sein Botschafter zum Aussenminister gehen.»

Gigantische Gagen
7188.48 Franken verrechnete Burson-Marsteller für Markwalders Interpellation. «Ein Schweizer Verband würde nie so viel zahlen», sagt ein Berater. Die Kasachen geben üppig aus, «weil sie ignorant und heikle Kunden sind». Andere sehen 7000 Franken «im üblichen Rahmen.» Bei 500 Franken die Stunde habe einer 14 Stunden daran gearbeitet. «Das ist kein wahnsinnig hoher Preis.» Bei 200 bis 700 Franken liegen die Stundensätze.

Solche Gagen kassieren einstige Chefredaktoren, die heute Berater sind: Jürg Wildberger (Ex-«Facts»), Andreas Durisch (Ex-«Sonntags-Zeitung»), Peter Hartmeier (Ex-«Tages-Anzeiger»), Wigdorovits (Ex-BLICK).

Hohe Honorare trösten sie über verlorene Freiheiten hinweg, die sie bei Zeitungen hatten. In ihrer neuen Tätigkeit gilt: Wer so viel zahlt, befiehlt; wer wie sie so viel kassiert, gehorcht.