Von Peter Hossli
Nein, Bill Clinton (68) hatte nie Sex mit einer Praktikantin. Monica Lewinsky (41) befriedigte ihn oral – für den Ex-Präsidenten ist das kein Sex.
Nein, Drogen nahm er nie. Er zog zwar an einem Joint, den Rauch aber inhalierte er nicht.
Nein, Gesetze brach Hillary Clinton (67) als US-Aussenministerin nicht, als sie alle ihre Mails über ein eigenes Konto abwickelte – die amtlichen wie privaten.
Und ja, selbst dieser jüngste Skandal dürfte an den Clintons abperlen. Seit dreissig Jahren ist das Paar unantastbar. Niemand verwaltet Macht geschickter als «Billary», wie das Paar genannt wird. Neben ihnen wirkt Machiavelli wie ein Stümper. Sie reizen Grenzen aus, stellen eigene Regeln auf. Ständig wechseln die Loyalitäten. Vieles ist anrüchig. Verteidigen sie sich, ist nicht mal die Bedeutung des Wortes «ist» eindeutig.
Es geht auf. Die Clintons sind populär. Er ist trotz Affären beliebtester Präsident der Neuzeit, sie trotz Skandalen aussichtsreiche Kandidatin fürs Weisse Haus. «Die Gesetze der Schwerkraft gelten für die Clintons nicht», schreibt das US-Magazin «Time» in der aktuellen Titelgeschichte.
Treffend sagte Hillary Clinton letzten Sommer in Berlin: «Ich lache viel, weil ich es manchmal absurd finde, was ich in meinem Leben schon alles erlebt habe.»
Menschliche Instinkte treiben Billary an: Lust und Geld und Ehrgeiz. Ihr Motor – und ihre Stärke – aber ist echter Idealismus. Sie glauben tatsächlich, die USA und die Welt verbessern zu können.
Der Aufstieg
Er wächst arm auf, sie mittelständisch. Sie treffen und verlieben sich 1971 an der Yale University. Beide sind brillant, sie einen Tick smarter, er jovialer. Er wird Gouverneur von Arkansas, sie Mutter. Als Gerüchte über seine Affären auftauchen, hält sie zu ihm. Denn Hillary weiss: Ist Bill mal Präsident, bringt er sie weiter.
«Wählt ihr meinen Mann, kriegt ihr zwei für den Preis von einem», sagt sie während seiner Kandidatur fürs höchste Amt. Mit grossen Ambitionen zieht sie 1993 ins Weisse Haus, will eine moderne First Lady sein. «Ich werde keine Kekse backen», sagt sie, bezieht ein Büro beim Team des Präsidenten – und scheitert kolossal, das Gesundheitswesen der USA zu reformieren.
Sie zieht Hass auf sich. Gegner bezeichnen sie als Kommunistin. Es gibt Türvorleger mit ihrem Gesicht. «Damit sich jeder den Dreck seiner Schuhe bei ihr abreiben kann», sagt deren Hersteller.
Stoisch steckt sie 1998 peinliche Details der Affäre ihres Gatten mit Monica Lewinsky weg. Erfolgreich bewirbt sie sich 2000 für einen Sitz im US-Senat. Was keiner First Lady zuvor gelungen war. Ihr hilft das Mitleid betrogener Frauen. Ausradieren kann sie ihr Image als Opfer eines Sexbessenen. Nun ist sie das politische Schwergewicht und Bill das Anhängsel, das abmagern sollte.
Auf der Hinterbank
Hoch verschuldet verlassen die Clintons das Weisse Haus. Fünf Millionen Dollar betragen allein ihre Anwaltskosten. Als Gouverneur wie als Präsident hatte er nie besonders viel verdient. Als das Paar ein neues, 1,7 Millionen Dollar teures Haus nördlich von New York kaufen will, verweigert im die Bank die Hypothek. Die beiden müssen Freunde anbetteln.
Er scheffelt fortan Millionen als Redner, sie müht sich acht Jahre auf der Hinterbank des Senats ab. Mit einem klaren Ziel vor Augen: Sie will 2008 erste Frau im Weissen Haus werden.
Doch Amerika hat nach den Bush-Jahren genug von Dynastien. Geschichte schreibt ein anderer: Barack Obama (53) schlägt sie, wird erster schwarzer US-Präsident. Obwohl sie erfahrener ist.
Sie zeigt in der bitteren Niederlage Grösse – und Ambitionen. Obama bietet ihr das Aussenamt an, im Wissen, die Clintons so auf seine Seite zu ziehen. Sie nimmt an, vermeidet einen Streit innerhalb der Partei – und gilt sofort als Obamas politische Erbin.
Wieder rackert sie sich ab, besucht 112 Länder, begnügt sich mit einem Salär von 186000 Franken, nimmt wenig Schlaf, müde Augen, stumpfes Haar und kaum Zeit für Fitness in Kauf.
Für Amerika holt sie reichlich Goodwill zurück, das Bush verloren hatte. Weltweit macht sie sich stark für Frauen und Mädchen, spricht Klartext: «Politikerinnen werden oft verniedlicht, oder auf ihr Äusseres reduziert.»
Ein letzter Anlauf
Vermutlich im April wird sie ihre Kandidatur für das Weisse Haus bekannt geben. Fragezeichen setzen Alter und Gesundheit. Im Dezember 2012 fällt sie in Ohnmacht, schlägt dabei den Kopf an. Ärzte stellen ein Blutgerinnsel fest. Feinde streuen das Gerücht, sie hätte einen Tumor.
Wird sie gewählt, zöge sie mit 69 Jahren ins Weisse Haus. Nur Ronald Reagan (1911–2004) war beim Amtsantritt noch älter.
Und der Mail-Skandal? Hillary Clinton gibt zu, 30000 Mails gelöscht zu haben. Es seien allesamt private Nachrichten gewesen. Überprüfen lässt sich das nicht mehr. Vor ihr benutzte Aussenminister Colin Powell (77) private Mail-Adressen.
Zudem zeigt die Vergangenheit: Je giftiger die Attacken gegen die Clintons, desto populärer das Paar. Stets stand das Volk auf deren Seite. Medien und die politischen Gegner waren gegen sie. Meist schaden die Skandale nicht den Clintons, sondern jenen, die sie angreifen. Noch wollen 86 Prozent der Demokraten sie als ihre Spitzenkandidatin für 2016.
Jeder Skandal bringt Bill und Hillary einander noch näher. Bill, weiss Hillary, ist ihr Trumpf. Es stachelt ihn an, sie zu fördern. Er sehnt sich nach dem Weissen Haus – und kennt den Weg dorthin wie sonst keiner.