WEF-Gewinner Jordan

Vor einer Woche war SNB-Präsident Thomas Jordan der Buhmann der Nation. Dank dem WEF steht er heute besser da. International ist das Verständnis gross für das Ende des Mindestkurses.

Von Peter Hossli und Guido Schätti

lagarde_jordanEin Kuss in Davos befreite Thomas Jordan (51). Am Mittwoch betrat der Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die grosse Halle des Kongresszentrums und setzte sich in die vorderste Reihe. Plötzlich stand er auf. Entdeckt hatte er eine Frau: Christine Lagarde (59), Französin und Direktorin des Internationalen Währungsfonds. Jordan ging auf sie zu, strahlte – und küsste sie auf die Wange. Lagarde küsste zurück.

Es war ein Kuss, der Jordan gut tat. Kurz zuvor hatte sich Lagarde in einem TV-Interview noch bitter über ihn beklagt – weil er sie nicht vorab über die Aufhebung des Mindestkurses informiert hatte.

Im Inland geriet der Notenbank-Präsident noch heftiger unter die Räder. Von den Gewerkschaften bis zu Economiesuisse – alle hatte er gegen sich. Die Linke wirft ihm Gesetzesbruch vor (siehe Box). Unternehmer stiessen Drohungen aus. Selbsternannte Experten rechneten vor, dass weitere Euro-käufe problemlos zu verkraften gewesen wären.

Anders in Davos. Dass die Franken-Aufwertung die Schweiz vor enorme Probleme stellt, war zwar unbestritten. Ebenso gross war aber das Verständnis für den Entscheid der SNB.

Lagarde nahm ihre Kritik zurück: «Es war schwierig für die SNB, im Voraus zu kommunizieren», sagte sie an einem Podium. Denn damit hätte die SNB Spekulanten eine Steilvorlage geliefert.

Die Abkehr vom Mindestkurs sei «nicht abwendbar» gewesen, sagte der Milliardär und Ex-Spekulant George Soros (84). «Es floss derart viel Geld aus dem Euro in den Franken, dass es nicht mehr tragbar war.» Zu kühlem Kopf rief Swiss-Chef Harry Hohmeister (50) auf. «Jetzt sind Nüchternheit und Ratio in der Sache gefordert.»

merkel2Sogar US-Ökonomen, die sonst viel übrig haben für geldpolitisches Abenteuertum, stellten sich hinter den Entscheid: «Überraschend war eher, dass die SNB die Euro-Untergrenze so lange halten konnte. Der Ausstieg war unausweichlich», sagt Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff (61).

Noch weiter ging die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (60). Sie lobte die SNB als Beispiel für eine Notenbank, die den Mut hat, sich der Realität zu stellen.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf (58) sagte Jordan ihre volle Unterstützung zu. Nach dem EZB-Entscheid sei klar, dass der Mindestkurs nicht mehr haltbar gewesen sei.

Der Nationalbank hat der Zuspruch in der Davoser Höhenluft sicherlich gut getan. Im Flachland dürfte sie bald wieder zum Sündenbock und politischen Spielball werden. Denn es ist Wahljahr.