Von Peter Hossli (Text) und Adam Berry (Fotos) aus Dresden
Klar, sagt der Arbeiter, er sei wütend. «Multikulti stoppen, meine Heimat bleibt deutsch», steht auf dem Schild, das er in den Dresdner Nachthimmel hebt. «Merkel, Sie können uns mal», heisst es auf dem Plakat seines Kumpels.
Es ist Montag, in der sächsischen Hauptstadt seit Oktober Pegida-Abend. «Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes» marschieren gegen «die Islamisierung». Gestern waren es 25 000 – so viele wie nie zuvor. Auf Transparenten halten sie die Namen jener 17 Menschen hoch, die Terroristen letzte Woche in Paris töteten.
Aus Nürnberg angereist ist Chorleiter und Musiker Heinrich Eberhardt (68). Der beleibte Mann mit Bart und Beret fürchtet «eine islamische Unterwanderung in Europa».
Ist er ein Rassist? «Nein, ich habe nichts gegen Ausländer», sagt er. «Wir brauchen Fachkräfte, ostanatolische Schafhirten bringen uns aber nichts.» Er ist einer der wenigen, der mit der Presse spricht.
Die meisten wenden sich vom Reporter ab. «Die Presse lügt», sagt Rolf Körnig (68), ein Taxiunternehmer. «Journalisten schreiben, wir seien Nazis, dabei stehen hier normale Bürger.» Er trauere um «alle Opfer des Fanatismus» in Paris und in Pakistan.
Kanzlerin Angela Merkel (60) warnt vor Pegida. «Dumpfe Vorurteile, Fremdenhass und Intoleranz», erkennt Altkanzler Helmut Schmidt (96). Einen «Aufstand der Anständigen» dagegen fordert Gerhard Schröder (70), ebenfalls ehemaliger Bundeskanzler.
Doch in Dresden wächst die Bewegung rasant, obwohl der Anteil der Muslime und der Ausländer geringer ist als im Rest der Republik. «Umso höher ist der Grad der Radikalisierung», erklärt der Dresdner Zeitungsverträger Kai Krause (39). «Je mehr Kontakt Leute mit Ausländern haben, desto eher wissen sie: das sind normale Leute.» Pegida sei stark, wo einst DDR war, sagt Sozialpädagogin Carmen Walter (37). «Wir waren von der Welt abgekoppelt, jetzt sind viele überfordert.»
Erstmals seit der Wende steht Gärtner Gerald Schütz (52) wieder auf der Strasse. «Wie damals stelle ich mich gegen die staatliche Macht.» Er fürchtet Zuwanderer. «Nicht, weil sie mir den Job nehmen, sondern weil sie die Kultur ändern», sagt Schütz. «Wenn der Weihnachtsmarkt neu Wintermarkt heisst, läuft etwas schief.» Sein Vorbild sei die Schweiz. «Wir wollen die direkte Demokratie.» Von der EU hat er genug. Ein striktes Zuwanderungsgesetz fordert er, die konsequente Ausweisung von Islamisten, mehr Mittel für die Polizei.
Auf dem Podium macht sich ein Einpeitscher lustig über die vielen Journalisten. «Schreibt, was ihr wollt, es wird immer weniger geben, die euch glauben.» Er lobt die Anti-Pegida-Karikaturen, die im Internet zirkulieren. «Die Zeichner wissen, wir zünden keine Redaktion an.»
Längst nicht jeder ist für Pegida. Vor 15 Jahren kam der Türke Cumali Özadanir (40) hierher, führt eine Dönerbude. «Pegida ist Quatsch», sagt er in perfektem Deutsch. «Schlechte Werbung für Deutschland.Demonstrieren die jede Woche gegen Ausländer, bleiben die Touristen fern.»
Günther Richter (82) hat die Nazis in Dresden erlebt, die Bomben der Alliierten, dann die DDR. Pegida entspräche einer deutschen Tradition: «Hat einer ein gutes Logo, rennen die Deutschen gleich hinterher, war 1933 schon so.»