Wie fair ist Fair­trade?

Max Havelaar lanciert faires Gold. Das Fairtrade-Label aber steht in der Kritik: Die ärmsten Produzenten würden weit weniger erhalten als versprochen.

Von Peter Hossli

Mineur_Sotrami_Jeff_GuiotGold glänzt nicht immer. Oft graben Kinder nach Nuggets. Ganze Berge tragen Bagger für Ringe ab. Mit Quecksilber und Zyanid lösen Kumpel das Metall aus Geröll. Was Menschen und Umwelt vergiftet.

Muss nicht sein, sagt die Stiftung Max Havelaar. Vor Jahren begann sie, ein Gold-Zertifikat zu entwickeln. Seit letzter Woche verkauft Coop Schmuck aus Fairtrade-Gold. Bald gibt es das Edelmetall als faire Goldbarren.

Das Fairtrade-Zertifikat erhalten haben zwei Minen in Peru, eine dritte steht kurz davor. Dort schuften keine Kinder. Gift wird behutsamer eingesetzt. Mineure schürfen sicherer. Für ihr Gold erhalten sie Mindestpreise und eine Prämie von 2000 Dollar pro Kilo.

Allerdings: Mehr als ein Tropfen auf den heissen Stein ist das nicht.

Gegen 3000 Tonnen Gold verarbeiten Schweizer Raffinerien jährlich, 70 Prozent des weltweiten Bedarfs. Dem stehen 600 Kilogramm Fairtrade-Gold gegenüber. «Mit so kleinen Mengen wird es lange dauern, bis man vom Markt wahrgenommen wird», sagt Josianne Walpen von der Stiftung Konsumentenschutz.

Es gehe nicht darum, sofort riesige Mengen anzubieten, sagt Max-Havelaar-Geschäftsleiterin Nadja Lang (41). «Wir haben bei Bananen klein angefangen.» Heute betrage der Fairtrade-Anteil bei Bananen 54 Prozent. «Es ist beim Gold zuerst wichtiger, etwas aufzubauen.»

Für Max Havelaar lohnt sich das faire Gold. Die Stiftung erhält pro Kilogramm eine Lizenzgebühr von 1800 Franken, also über eine Million Franken.

Ums Geld gehe es Max Havelaar kaum, sagt ein Schweizer Rohstoffexperte. «Gold ist ein gutes Produkt, um zu beweisen, das Fairtrade wirklich wirkt – zu einem Zeitpunkt, in dem die Bewegung in der Kritik steht.»

Einfach wird das nicht. Fair­trade-Gold stammt aus kleinen Minen mit dürftiger Infrastruktur. Aus einer Tonne Gestein lösen Mineure mit Quecksilber drei bis acht Gramm Gold. Nur bei grösseren Mengen lässt sich das verträglichere Zyanid einsetzen. Deshalb gilt: «Je grösser eine Mine ist, desto sauberer kann sie arbeiten», sagt der Experte.

Löhne seien bei Megaminen höher, die Sicherheit eher gewährleistet, das Gold demnach fairer. Der Vergleich sei nicht zulässig, sagt Nadja Lang. «Die Realität ist ganz anders.» Rund 100 Millionen Menschen seien vom kleinen Bergbau abhängig. Sie fördern gegen 20 Prozent des Goldes. Ihre Si­tuation soll das Fairtrade-Gold nun verbessern. «Wir helfen ihnen am Markt Erfolg zu haben, um ihre oft prekären Lebens- und Umwelt­bedingungen zu verbessern.»

Ähnlich wie ihr das mit Bananen- und Kaffee-Bauern gelungen sei. Viele fingen klein an. «Seither wurden viele Kooperationen grösser und profes­sioneller», sagt Lang. Damit sei das Fairtrade-Ziel am besten zu erreichen: das Leben von Kleinbauern zu verbessern.

Was Konsumenten selten wissen: Zuweilen wird faire Ware mit konventioneller Ware vermengt. Bei Fairtade-Schokolade ist – deklariert – nur der Kakao fair produziert. Lang verteidigt die Praxis. «So wird mehr Kakao zu Fairtrade-Bedingungen verkauft – zum Wohl der Bauern.»

Fairtrade boomt. Weltweit wurden 2004 Fairtrade-Waren für eine Milliarde Franken verkauft. Heute liegt der Umsatz bei sieben Milliarden. In der Schweiz gabs 2013 ein Plus von 15,7 Prozent.

Nur: Paradiesische Zustände im Süden bringt das nicht. Noch immer schuften Kinder auf Kakaoplantagen, wird Regenwald für Palmöl gerodet. Über den «reinen Marketing-Erfolg des Nordens, von dem der Süden kaum profitiert» schimpft der linke senegalesische Ökonom Ndongo Samba Sylla im Buch «The Fair Trade Scandal». Wir Reichen würden die Armen ausnehmen. Zwar bewahre das Fair­trade-System Bauern «vor extremer Armut, aber einen sozialen Aufstieg ermöglicht es nicht». Von einem Franken, der mehr für Fair­trade-Produkte bezahlt werde, blieben drei Rappen bei Produzenten.

Ähnliche Schlüsse ziehen Forscher der University of London. Sie untersuchten 1700 Bauern, die Tee, Kakao und Blumen in Ostafrika für das Fairtrade-System herstellen. «Arbeiter, die in Ostafrika konventionelle Güter herstellen, erhalten viel höhere Löhne und haben weit bessere Arbeitsbedingungen als Fairtrade-Produzenten», sagt der Autor der Studie, Christopher Cramer. «Fairtrade ist kein wirksamer Mechanismus, um das Leben der armen, ländlichen Bevölkerung zu verbessern.» Es sei schlicht attraktiver, für grosse Farmer als für Kleinbauern zu säen und zu pflücken. Kontrollen seien dort zudem strenger.

Ähnlich wie beim Bergbau sei die Realität eine andere, kontert Lang. «Es leben zwei Milliarden Menschen in kleinbäuerlichen Strukturen, die können nicht von einem Tag auf den anderen für Grossbetriebe arbeiten.»

Fairtrade stärke Bauern mit dem Ziel, dass ihre Kinder bessere Schulen besuchen und den Schritt aus der Armut schaffen werden. «Wir können die Allerärmsten nicht über Nacht zu reichen Bauern machen», sagt Lang. «Mit Fairtrade können sie aber einen Weg gehen, der ihre Situation verbessert.»