Von Peter Hossli
Die Lage im Nordirak eskaliert weiter. In einem jesidischen Dorf in der Sindschar-Region sollen Mitglieder der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) am Freitagnachmittag mindestens 80 Männer erschossen haben. Dies berichten kurdische Medien. Die Männer starben offenbar, weil sie sich weigerten, zum Islam zu konvertieren. Frauen und Kinder wurden von den IS-Kämpfern verschleppt.
Die Weltgemeinschaft reagiert. Gestern traf der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier (58) im Nordirak ein. «Wir erleben eine Katastrophe», sagte er. Er sicherte der irakischen Regierung deutsche Unterstützung im Kampf gegen den IS-Terror zu.
Derweil setzt die Schweiz auf humanitäre Hilfe. Sie sei «sehr besorgt über die Situation», teilt das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) mit. Die IS-Übergriffe hätten zu einer «schweren humanitären Krise» geführt, so das EDA.
Diese Krise sollen drei Schweizer vom Schweizerischen Korps für Humanitäre Hilfe (SKH) lindern, unter ihnen Claudia Hungerbuehler (58). Die SKH-Frau unterstützt in der nordirakischen Stadt Dohuk die Uno-Flüchtlingsbehörde UNHCR.
Sie kümmert sich insbesondere um Wasserversorung und sanitäre Anlagen für die intern Vertriebenen und die syrischen Flüchtlinge. SonntagsBlick erreichte sie gestern telefonisch im halb autonomen Gebiet Kurdistan. «Hier leben 300000 bis 400000 intern Vertriebene.» Sie würden in unfertigen Bauten leben, in Moscheen und Kirchen, entlang von Flüssen und unter Brücken. «Viele Menschen kommen traumatisiert an – und sind auf psychologische Hilfe angewiesen», so Hungerbuehler. Sie selbst spricht mit den Flüchtlingen nicht über deren Erlebnisse. «Wir wissen aber: Es passieren schreckliche Dinge.»
Das EDA «verurteilt die schweren Verstösse gegen das Völkerrecht und ruft den Irak und die internationale Gemeinschaft auf, Massnahmen zu ergreifen».
Dringend nötig, sagt Hungerbuehler, seien jetzt Unterkünfte wie etwa Zelte. Viele Flüchtlinge seien in 900 nordirakischen Schulen untergebracht. Bis Mitte September müssen diese geräumt werden, denn dann gehen in Dohuk die Sommerferien zu Ende.
Sie selbst ist seit Oktober im Nordirak. Die Sicherheitslage sei «fragil», sagt sie. «Heute fühlen sich die Leute etwas sicherer.»