Niemand stoppt den Zaren Putin

Verändert der Abschuss von Flug MH17 die europäische Russland-Politik?

Von Peter Hossli

obama298 Menschen starben an Bord von Flug 17. Russen bauten die Rakete, die den Jet traf. Russen lieferten das Geschoss. Abgeschossen wurde es in einem Gebiet der Ostukraine, welches prorussische Rebellen kontrollieren. «Unfassbar empört» darüber ist US-Präsident Barack Obama (52).

Jedem sei nun klar, was in der Ukraine geschehe. Bis an die Zähne bewaffnet seien die Separatisten dort, «dank russischer Hilfe». Die Verantwortung liege bei Russlands Präsident Wladimir Putin (61). «Letztlich hat er die Kontrolle über die ganze Situation», sagt Obama. «Zumindest bisher hat er es versäumt, sie wahrzunehmen.»

Obama mahnt die Europäer: Direkt an ihren Grenzen tobt Krieg. Dieser betrifft die ganze Welt. Und nur Putin kann ihn stoppen. Einen «Weckruf für Europa» nennt Obama daher den Abschuss. Er hofft wohl, es sei ein Wendepunkt für die Europäer.

putinSeit Jahren nämlich lassen sie Putin gewähren. Weg schaute die EU, als er 2008 in Georgien einfiel. Nur leere Worte, als Putin die Krim annektierte. Altkanzler Gerhard Schröder feierte mit ihm seinen 70. Geburtstag.

Beim letzten EU-Gipfel lehnten Italien, Griechenland und Holland härtere Sanktionen gegen Russland klar ab. Obwohl Putin die Ukraine zerstückelt. Auf Flug 17 starben 193 Holländer.

Europa müsse «endlich die Führung übernehmen», wettert die einstige US-Aussenministerin Hillary Clinton (66). «Der Flug begann in Amsterdam und führte über europäisches Territorium», sagt sie. «Eigentlich sollte es in allen Hauptstädten Europas grosse Empörung und laute Aufschreie geben.»

Doch es bleibt ruhig. Gestern telefonierte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (60) mit Putin. Als wären sie Partner, forderten sie gemeinsam die «rasche Klärung» des Unglücks sowie freien Zugang für internationale Experten zur Absturzstelle in der Ostukraine.

hillaryClinton verlangt derweil härtere EU-Sanktionen gegen Russland. Dem Ruf folgt bisher niemand. Zu gross ist in Europa der Durst nach russischem Gas und Öl. Wäre jetzt der Moment, über Alternativen nachzudenken? Zumal für Putin die Ukraine längst kein lokaler Konflikt mehr ist. Ein «Möchtegern-Zar» sei der russische Präsident, leitartikelt das «Wall Street Journal». Putin wolle «Grossrussland herstellen, es zur dominanten Macht in Europa und Asien machen».

Der Krieg in der Ukraine gehört Putin. Russland bezahlt ihn. Der Kommandant der Separatisten war einst russischer Spion. Es geht um die Zukunft Russlands. Putin und seine Getreuen entstiegen dem KGB, dem sowje­tischen Geheimdienst. «Gewinnt Putin in der Ukraine», so das «Wall Street Journal», sei «die Demokratie in Russland verloren» – eine Diktatur vor den Toren Europas.

Sollte Russland tatsächlich hinter dem Abschuss stehen, müssten Obama und Europa handeln. Denn passiert wieder nichts, starben 298 Menschen vergeblich.