Die stillen Helfer

Sie sind die namenlosen Stützen der Auslandskorrespondenten. Ohne lokale Fixer kämen viele Geschichten gar nicht erst zustande. Für ihren Mut und ihr Wissen werden sie oft nur schlecht entlohnt.

Von Peter Hossli

dadoMartialisch recken die Soldaten ihre Sturmgewehre zum Himmel. Die Finger am Abzug. Ein Dutzend bewacht in der Favela Maré in Rio de Janeiro die Grenze der Gewalt. Nördlich verkaufen Dealer billiges, rasch süchtig machendes Crack, südlich das reinere und teure Kokain. «Halt», ruft einer der Soldaten einem Passanten zu. «Zieh das Hemd hoch, strecke deine Hände in die Höhe, dreh dich um», sagt er auf Portugiesisch. «Beeil dich!»

Der Schweizer Reporter, der die Szene beobachtet und darüber berichtet, versteht kein Wort. Und doch schreibt er mit. Weil Dado Galdieri für ihn übersetzt. Gleichzeitig fotografiert er Soldaten und Passanten. Galdieri ist Fotograf, Fixer – und Fahrer. Er trägt Shorts, das Haar ist schulterlang. Er stammt aus Rio, kennt die 11-Millionen-Metropole bestens, kennt ihre Geschichten, kennt die Menschen, hat ein Auto und findet den Weg durch den schleichenden Verkehr.

Rasch knüpft der 40-Jährige Kontakte, die der aus Europa eingeflogene Journalist braucht, um eine Reportage über das sozial gespaltene Brasilien zu recherchieren. Am Rande der Favela findet Galdieri den Fischer Gabriel. Der lebt unter einer Brücke und verliert wegen der Fussball-WM seine Habe. Galdieri übersetzt die Fragen des Reporters und diktiert, was Gabriel erzählt. Anderntags fährt er den Journalisten in die Marina von Rio und übersetzt bei Interviews mit brasilianischen Millionären.

Lange vor dem Flug nach Brasilien kontaktierte der Reporter den Fixer, beschrieb, was er sucht, mit wem er reden will, welche Bilder er braucht. Ohne Fixer wäre er in der fremden Stadt verloren gewesen. Jetzt reist er mit einer guten Reportage heim. Die Fixer – sie sind die unbekannten

Stützen bekannter Auslandskorrespondenten und Reporter. Ohne sie käme manche Geschichte nicht zustande. Im Gegensatz zu den ausländischen Journalisten kennen sie das Land, sprechen die Sprache, sind sich der Gefahren bewusst. Oft organisieren sie die Reise der Korrespondenten. Ihre Dienste bieten sie online an. Will ein Reporter etwa nach Syrien, platziert er auf Facebook einen Suchauftrag, gibt an, in welcher Stadt er wann sein will. Prompt erhält er Telefonnummern vieler Fixer – und prüft: Wer ist zuverlässig? Wer lebt noch? Wer kann was? Per Mail vereinbaren Fixer und Reporter ein Honorar, besprechen die Reisen, machen einen Treffpunkt aus.

Andere bieten sich in den Hotels an, in denen westliche Korrespondenten absteigen. «Need a fixer?», fragen sie direkt. Angebot und Nachfrage bestimmen die Preise. Sind hauptsächlich Freelancer vor Ort, kosten Fixer wenig. Nach der Ankunft der amerikanischen TV-Stationen – CNN, Fox, ABC – steigen die Preise. «Am Anfang des Arabischen Frühlings wollte mein Fixer kein Geld», erzählt ein Fotograf, der 2011 in Libyen arbeitete. «Ein halbes Jahr später waren es 350 Dollar pro Tag.» Bezahlt wird welt- weit in US-Dollar, die Raten liegen zwischen 50 und 600 Dollar pro Tag, jeweils in bar.

Ein guter Fixer ist unparteiisch. Was schwierig ist in Konfliktregionen. Oft gehört er einer Gruppe an, die sich mit einen zweiten streitet. Ist er schlecht, nimmt er Partei und über- setzt fehlerhaft.

Fixer prägen die Medien seit langem. Während der Kriege in Vietnam und Kambodscha beschäftigten amerikanische und französische Reporter lokale Helfer, die sie durch den Dschungel führten. Als Jugoslawien in den neunziger Jahren auseinanderfiel, zeigten Fixer ausländischen Kriegsreportern den Weg an Scharfschützen vorbei. Wesentlich beeinflussten sie 2003 die Berichterstattung über den Irak-Krieg.

Zuweilen bestimmt die politische Lage die Bewegungsfreiheit von Fixern. In Ägypten wollen viele derzeit nicht für ausländische Journalisten arbeiten. Weil sie staatliche Repressionen fürchten.

Fixer sind meist männlich, jung, haben keine Familien – und gehen Risiken ein. «Irgendwie stirbt immer der Fixer», schrieb 2009 das US-Magazin «New Yorker». Rasch gelten Fixer als Spione und Verräter – weil sie mit den ausländischen Medien und somit dem Feind zusammenarbeiten.

Wird es kritisch, überleben ausländische Reporter. Ihre Fixer sterben. Die Taliban entführten 2007 einen italienischen Journalisten in Afghanistan. Sie köpften seinen Fahrer und töteten seinen Übersetzer. Der Reporter kam frei. Am 7. Januar 2006 wurde die amerikanische Reporterin Jill Carroll im Irak entführt. Ihr Fahrer und Übersetzer Alan Enwiya wurde erschossen. Carroll kam frei. Im März 2012 entliessen Libyer vier festgehaltene Journalisten der «New York Times». Ihr Fahrer aber, Mohamed Shaglouf, wurde erschossen.

Jedes Jahr veröffentlicht die Organisation Reporter ohne Grenzen eine Statistik über verstorbene Journalisten im Einsatz. Nichts bekannt ist über Fixer, die im Einsatz sterben. Nur die tragischen Fälle schaffen es in die Medien. Ende Dezember 2013 starb in Aleppo in Syrien der 17-jährige Fotograf Molhem Barakat. Er arbeitete für Reuters. Die Agentur bedauerte den Tod – und wurde kritisiert, minderjährige Laien in so gefährliche Gebiete zu entsenden. Zumal viele Medienhäuser ihre Fixer nicht versichern – und sich bei einem Unfall nicht um sie kümmern.