Von Peter Hossli
Lionel Messi (26) führt ein Doppelleben. Zulässig wirbt der argentinische Angreifer für Adidas. Daneben leiht er Pepsi sein Lächeln – als Guerillero.
Bei beiden Jobs geht es um Fussball und die Weltmeisterschaft, die in zwölf Tagen in Brasilien startet. Rechtlich sind sie anders. Adidas darf als offizieller Partner der Fifa mit der WM werben. Pepsi aber ist ein Schmarotzer. In einem aufwendigen TV-Spot erzeugt der Brauer brauner Brause Fussball-Fieber in einem südamerikanischen Land. In der Hauptrolle: WM-Star Messi. Weder erwähnt Pepsi die WM noch Brasilien. Erlaubt ist das nur Coca-Cola, einem WM-Sponsor.
Das Weltereignis
Gegen 80 Millionen Dollar zahlt Coke für das Recht, mit dem grössten Ereignis der Welt werben zu dürfen. Jeder zweite Mensch wird sich mindestens ein WM-Spiel live am Fernsehen anschauen. Insgesamt verfolgen 50 Milliarden Augenpaare die 64 Matches am TV – in über 200 Ländern. Weil «Fussball Emotionen, Hoffnung, alles» sei, erklärt Fifa-Präsident Sepp Blatter (78).
Rund 15 Milliarden Dollar kostet die WM in Brasilien. So viel, wie die beiden letzten Weltmeisterschaften in Südafrika und Deutschland zusammen. Brasilien zahlt gegen 13 Milliarden, zwei Milliarden übernimmt die Fifa. Sie deckt den Aufwand mit sechs offiziellen Partnern, acht globalen und sieben lokalen Sponsoren. Sie alle kaufen sich das Recht, mit der WM zu werben.
Eine Investition, die sich lohne, sagt Tony Ponturo, einst verantwortlich für Sportmarketing bei Budweiser. 1986 stieg der Bierbrauer bei der WM ein. «Um global zu wachsen», so Ponturo. «Es gibt keine bessere Plattform als eine Fussball-WM, um eine Marke innert Kürze weltweit einzuführen.»
Viele andere Events sind zugekleistert mit Sponsoren. Die Fifa garantiert aber bei Kategorien Exklusivität. Eine Automarke. Ein Bier. Eine Kreditkarte. Eine Cola. Eine Airline. Eine Fastfood-Kette.
Die Trittbrettfahrer
Und doch sind diese Konzerne nie alleine. Dreist schaltet die Konkurrenz Guerilla-Marketing. Kreativ gehen sie an die Grenze des Erlaubten – und geben Millionen für Schmarotzer-Werbung aus. Besonders erbittert ist der Kampf unter Sportartikel-Herstellern. Adidas wirbt offiziell mit der WM und Stars wie Messi, Dani Alves, Luis Suarez, Robin van Persie und Mesut Özil – und hofft, so den Umsatz um über eine Milliarde Euro zu steigern.
Nike kontert mit einem teureren Spot, der das Fussballfest in Brasilien nur suggeriert – mit ebenso grossen WM-Stars: Ronaldo, Neymar, Rooney und Pirlo.
Kinder jagen in der Coke-Werbung einen Ball durch eine Favela in Rio de Janeiro, vorbei an Stränden und dem famosen Maracanã-Stadion. Energie spendet den Kleinen eisgekühltes Coca-Cola, dem Fifa-Partner.
Bei Pepsi tänzelt ein cooler Künstler durch eine Favela. Messi und der Spanier Sergio Ramos werfen ihm Bälle zu. Zuletzt steht er auf einem Sandplatz mit Fussball-Toren und feiert mit Hunderten überglücklicher Menschen. Von WM ist nie die Rede, aber jeder weiss: Es geht nur um die WM.
Messi – mal ehrlich, mal Guerillero. Ein Einzelfall ist er nicht. Pelé, unbestrittener König des Fussballs, steht im Sold des deutschen Autoriesen Volkswagen. Mit einem Ball in der Hand wirbt er für «Das Auto», neben ihm Fussballstar Neymar. Mit Pelé (73) und Neymar (22) kapert VW die WM – und dürfte dadurch mehr Aufmerksamkeit erheischen als der koreanische Konzern Hyundai, Auto-Sponsor der Fifa.
Ist Pelé bei Autos ein Trittbrettfahrer, legt er sich offiziell eine Uhr an. Der welsche Hersteller Hublot misst an der WM die Zeit und lanciert deshalb die Uhr «King Pelé».
Was Swatch nicht davon abhält, eine WM-Uhr anzubieten. Obwohl die Bieler sie nie so nennen würden. Die Swatch heisst Entusiasmo und ist in den Farben Brasiliens gehalten. Das Band ist rasengrün, auf dem Zifferblatt liegt ein blauer Fussball, die Zahlen sind gelb, die Zeiger blau und gelb. Die Uhr würdige die «Bedeutung des Fussballs» in Brasilien, so Swatch – und geht bis an die Grenze des Zulässigen.
Fifa-Richtlinien
Was erlaubt und untersagt ist, hält die Fifa auf 27 Seiten fest. Maskottchen, Logo, Emblem und Plakat der WM dürfen nur Partner und Sponsoren verwenden. Zeitungen wie der SonntagsBlick können sie drucken, aber nur bei journalistischen Inhalten. Viele Worte und Wortkombinationen sind geschützt: «World Cup», «2014 Brazil», «Brazil 2014» oder «Fifa Fussballweltmeisterschaft 2014». Dazu sämtliche Austragungsorte, etwa «Rio 2014» oder «Manaus 2014». Es ist verboten, per SMS, auf Twitter oder WhatsApp die geschützten WM-Logos und Phrasen zu verschicken.
Heikel ist es, ein Geschäft oder eine Bar zu dekorieren. Zwar darf ein Sportartikelhändler eine brasilianische Flagge aufhängen. Ein Schriftzug «Brasilien 2014» ist untersagt. Beizer in Basel, Bern, Berlin und Barcelona dürfen ihr Restaurant nicht «WM Bar 2014» oder «World Cup Bar» nennen.
Hält sich jemand nicht daran, «sucht die Fifa das Gespräch», sagt ein Sprecher des Fussballverbands. So stoppte die Fifa den französischen Autokonzern Peugeot. Er verwendete das Twitter-Kürzel #KickitToBrazil. Credit Suisse hatte vor, während der WM 2010 WM-Fotos in ihren Filialen zu zeigen. Die Fifa legte ihr Veto ein. Oft melden Fifa-Partner die Vergehen. «In ernsten Fällen ziehen wir vor Gericht», so der Fifa-Sprecher. «Fifa-Sponsoren sind unentbehrlich für das Turnier, wir ersuchen alle anderen, daraus kein Kapital zu schlagen.»
Schweizer Guerilla
Längst nicht nur Weltkonzern sind kreative Guerillas. Der Schweizer Autoimporteur Amag wirbt mit Nati-Spielern für seine Automodelle «New Cup», eine Anspielung nah beim verbotenen «World Cup».
Die Brauerei Baar überschritt die Grenze mit ihrer Werbung für das zwar zulässige Bier «Samba Samba». Auf der Website platzierten die Baarer Banner mit den Worten «Fussball-Weltmeisterschaft 2014» und «Brazil 2014». Von SonntagsBlick darauf hingewiesen, änderten die Baarer die Website sofort.
Panasonic Schweiz wirbt für ihre HD-Fernseher mit Nati-Goalie Yann Sommer (26) im gelb-grünen Trikot. Für Denner tanzen schöne Frauen in Brasilien- und Schweiz-Leibchen, damit seine Kunden eine Reise nach Brasilien gewinnen können. Die Schweizer Post rückt Ex-Fussball-Coach Hanspeter Latour ins Licht. Er preist Bändchen an – in den Farben von «Brazil 2014».
Welche WM-Wurst ist legal?
Darf ein Schweizer Metzger vor seinem Geschäft grillierte WM-Würste feilbieten? Wenn er sie so nennt, kann ihn die Fifa stoppen. Ist er kreativ, kann er das problemlos tun – und von der WM in Brasilien profitieren. Erlaubt wäre es, den Grillstand mit brasilianischen Flaggen und Fotos von Fussballern zu schmücken – solange sie keine offiziellen WM-Trikots tragen und weder die Zahl 2014 noch die Worte World Cup, Weltmeisterschaft und Copa do Mundo stehen. Das WM-Logo ist nicht zulässig. Ein erlaubter Name wäre Samba-Cervelat.