Millionenkrach in der High Society

Zwei Freunde kamen miteinander ins Geschäft. Sie wollten Millionen verdienen. Geblieben sind Klagen, Millionenverluste und ein schlimmer Verdacht.

Von Peter Hossli

maschmeyer_ferrest_webEs ist ein echtes Fussballfest. Auf dem Feld zaubert Barcelona. In der Loge geht es um viel Geld. «Sag, Eric, unsere Anlagen sind doch sicher?», fragt Schauspielerin Veronica Ferres (48). «Das haut schon hin?», erkundigt sich ihr Verlobter Carsten Maschmeyer (54). «Alles läuft rund, oder?», setzt HSV-Trainer Mirko Slomka (46) nach.

Der Schweizer Bankier Eric Sarasin (56) beruhigt: «Keine Sorge, alles gut, die erste Zahlung kommt im Herbst.» Zur besorgten Ferres sagt er noch: «Das sind mündelsichere Anlagen», also Anlagen ohne jegliches Risiko.

Barcelona besiegt an jenem 28. Mai 2011 in London Manchester United 3:1. Und Eric Sarasin sagt nicht die Wahrheit – oder er kennt sie nicht.

Er sitzt in der Geschäftsleitung der Bank Sarasin. Monate zuvor lässt die Bank eine auswärtige Firma den Sheridan Fund analysieren. Fazit: Der Fonds, in den Ferres, Maschmeyer und Slomka investierten, sei «steuerlich aggressiv», heisst es im Bericht, der SonntagsBlick vorliegt. «Dieses Produkt ist steuerreputationell als nicht okay einzustufen.» Übersetzt heisst das: Er operiert an der Grenze zur Illegalität.

Sarasin verschweigt den Kunden die Warnung. Sagt nur: «Alles gut.» Heute ist nichts mehr gut. Rund 50 Kunden hatten zusammen 300 Millionen Euro investiert. Ein beachtlicher Teil des Geldes ist weg.

Viele klagen gegen die Bank J. Saf-ra Sarasin und ihre Banker, darunter der reichste Portugiese, der Milliardär Americo Amorim (79). Geklagt hat der deutsche Drogerie-Unternehmer Erwin Müller (81). Per Inserat suchen Geschädigte weitere Opfer, um gemeinsam zu klagen. Maschmeyer schöpft schlimmen Verdacht: «Ich könnte mir vorstellen, sogar Opfer eines Schneeball-Systems gewesen zu sein.»

Stimmt der Vorwurf, wäre es auch ein Tiefschlag für den Schweizer Finanzplatz. Schilderungen von Kunden, Dokumente, Mail- und SMS-Nachrichten deuten darauf hin.

Während 20 Jahren wickelt AWD-Gründer Maschmeyer für seine Kunden Geschäfte über die Bank Sarasin ab, ein Haus mit Tradition und gutem Ruf. Seine Kunden haben dort Fonds in Depots. Längst kennt er die Chefs, freundet sich mit Eric Sarasin an, geht mit ihm zum Fussball, zur Art Basel. Privat ist er kein Kunde. Bis Eric Sarasin sagt: «Ich habe etwas, das keine andere Bank hat.» Einen Fonds mit europäischen Topaktien, der acht bis zehn Prozent Dividende abwirft. Im schlimmsten Fall sei ein Minus von zwei Prozent möglich. 98 Prozent seien sicher. «Das riskiere ich», sagt sich Maschmeyer.

Was er nicht erfährt: Der von Sarasin empfohlene Sheridan Fund nutzt eine Gesetzeslücke aus. Der Gewinn geht zu Lasten des deutschen Fiskus (siehe Box). «Hätte ich das gewusst, hätte ich den Fonds nie angerührt», so Maschmeyer heute.

Versichert sei das Geld, sagt Sarasin. Durch die Allianz und die AIG. Gar einen Teil der eigenen Pensionskassengelder halte die Bank im Sheridan Fund. «Wenn etwas passiert, dann stehen wir gerade», sagt Sarasin.

Zuerst investiert Maschmeyer fünf Millionen Euro, erzielt eine Rendite von 23 Prozent. Er investiert zehn Millionen, holt neun Prozent. Er ist angefixt. Noch seien Anteile für 40 Millionen Euro frei, bestellte ihm Sarasin. «Das ist die letzte Chance.» Wenn er wolle, könne er alles haben. «Es muss aber ganz schnell gehen.» Maschmeyer langt zu. Er investiert 37 Millionen, Ferres und Slomka je 500000. Zudem investiert seine Ex-Frau Bettina zwei Millionen. «Generell lege ich kein Geld an, wenn die Rendite steuerlich bedingt ist», sagt er gut drei Jahre später.

Sarasin schindet Zeit

Ein Jahr nach der Einlage der 40 Millionen hätten die ersten Zahlungen fliessen sollen, im Herbst 2011. Es kommt nichts. Was folgt, ist typisch für ein Schneeball-System, das auffliegt: Banker schinden Zeit, vertrösten, verzögern.

Eine Buchung in Irland fehle, heisst es etwa. Deshalb komme an Weihnachten Geld. Wegen der Feiertage verzögert sich die Zahlung erneut, zuerst auf Ende Januar, dann auf Anfang Februar 2012.

Maschmeyer – ein ewiger Optimist – ruft erstmals besorgt Eric Sarasin an, seinen Freund. Alles in Ordnung, sagt der zu ihm.

Dabei ist nichts in Ordnung, die Bombe längst geplatzt. Anfang 2012 stoppt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (71) Steuertrick-Produkte wie den Sheridan Fund. Nur: Die Kunden erfahren das nicht. Stattdessen verbreitet Sarasin Hoffnung.

Am 20. März 2012 fragt Maschmeyer per SMS an, ob die Zahlung bald erfolge. «Klar!», antwortete Sarasin per SMS. «Werde dafür sorgen, dass diese Summen bis Anfang April zurückkommen! Ergibt immer noch 12 % Rendite!»

Gleichzeitig lädt er ihn und Ferres ein an die Art Basel. «Basel auf jeden Fall», antwortet Maschmeyer umgehend. Doch er hakt nach: «Übrigens [mein Sarasin-Kundenberater] Henke redet von 25 % Rendite?» Sarasin gibt eine hilflose Antwort: «Klar, sorry, wollte die Hälfte für mich einsacken.»

Es hätte ein Scherz sein sollen, doch Maschmeyer ist der Spass vergangen. Wenn er schon keine Rendite erhält, will er wenigstens sein Geld zurück. Am 7. Juni 2012 kündigt er die Anlage. Am 22. Juni teilt ihm sein Kundenberater mit, er werde vorerst 80 Prozent der Einlage erhalten, also nicht 98 Prozent. Der Juli verstreicht, August,  September. Am 11. Oktober fliesst Geld: 21206931 Millionen Euro – 53 Prozent der Anlagesumme. «Es muss bei Ihnen ein buchhalterischer Fehler aufgetreten sein», schreibt Maschmeyer. Den Rest erwarte er «schnellstmöglichst». Nur: Der Rest kommt nie.

Er könne sich «das nicht erklären», teilt Sarasin mit – und schindet erneut Zeit. «Persönlich» werde er sich «für die Sache» einsetzen, schreibt er am 2. November. Er erklärt sein langes Schweigen: «Ich war ausserhalb Dubai in der Wüste und hatte keinen Empfang.»

Mitte Dezember trifft sich Maschmeyer mit dem Kundenberater und verlangt Papiere – und sein Geld. Doch nichts ist parat. «Was machen wir jetzt?», fragt er. «Nehmen Sie sich einen Anwalt», so der Berater. Das Vertrauen ist weg.

Maschmeyer fürchtet nun, in eine Steuerhinterziehungsgeschichte verwickelt zu sein – und schaltet Experten ein. Sie bescheinigten ihm, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Aber sie finden Abenteuerliches. Der Hannoveraner Finanzprofessor Stefan Homburg kommt zum Schluss: Bei Sheridan-Buchungen wurde wohl gemauschelt. «Die Valorennummern sind verschieden, die ISIN sind identisch. Weil beides eindeutige Kennungen sind, kann das nicht sein», so Homburg. «Wir halten es für möglich, dass der zwischenzeitliche Gewinn fingiert wurde», schliesst er. «Um Sie bei Laune zu halten.»

Sarasin beruhigt weiter. Am 6. März dieses Jahres meldet er sich per SMS bei Maschmeyer. «Lieber Carsten, gutes Interview in ‹Die Zeit›! Ich hoffe sehr, dass wir bald eine Lösung finden. Beste Grüsse aus St. Moritz, wo ich am Sonntag den Engadiner Skimarathon laufen werde. Eric.» Ein Gruss fehlt.

Da geht es längst nicht mehr um eine Lösung. Es geht darum, wer die Medien besser nutzen würde. Am 20. März druckt der «Stern» einen Artikel mit dem Titel «Die Gierigen». Er dreht sich um «Grossinvestor Carsten Maschmeyer und seine Freunde» und wie sie «viele Millionen Euro in der Schweiz angelegt» hätten. Das Opfer? Der deutsche Fiskus. Gespickt ist der Artikel mit Details zu Maschmeyers Sarasin-Bankbeziehung. Details, die nur Sarasin und Maschmeyer kennen.

Am 28. März reicht Maschmeyer Strafanzeige ein gegen Eric Sarasin – wegen Verletzung des Bankgeheimnisses. Sarasin, so die Anzeige, sei «unmittelbar die Informationsquelle der ‹Stern›-Reporter». Eine Schadensersatzklage und eine Anzeige wegen Betrugs sind in Vorbereitung.

Die Medienstelle der Bank Sarasin lässt ausrichten, nicht zu wissen, wer die «Stern»-Quellen seien. «Wir halten aber fest, dass Herr Sarasin diesbezüglich dem ‹Stern› zu keinem Zeitpunkt und in keiner Weise als Informationsquelle zur Verfügung stand.»

Man sei besorgt um die Kunden. Wegen des Bankgeheimnisses sei es jedoch nicht möglich, «eine öffentliche Erklärung zu den im Raum stehenden Verfahren und damit zusammenhängende Fragen abzugeben». Ein Schuldeingeständnis sei das Schweigen der Banker nicht.

Diese Woche schrieb der «Stern», Maschmeyer hätte von der Bank Sarasin Provisionen erhalten, um seine Verlobte anzuwerben. Es gebe eine eidesstattliche Erklärung seines Ex-Beraters. «Es ist absurd, dass ich von der Sarasin Bank Provisionen verlangt oder bekommen hätte», sagt Maschmeyer. Nun will er wegen Falschaussage klagen.

«Das Geld bekomme ich wahrscheinlich ersetzt», sagt der deutsche Investor. «Der Vertrauensverlust schmerzt, und es ist ein Skandal, dass eine Traditionsbank hier betrügt.»

Krummes Geschäft: Cum-Ex
Der Fall Sarasin-Maschmeyer bringt einen Begriff in die Öffentlichkeit, der bisher kaum bekannt war: Cum-Ex-Deals. Dabei nutzen Fonds-Betreiber eine deutsche Gesetzeslücke aus. Der Staat erstattete bei Aktienhandel um den Dividendenstichtag die Kapitalertragssteuer zweimal zurück, obwohl er sie nur einmal eingenommen hatte. Anfang 2012 schloss Finanzminister Wolfgang Schäuble diese Lücke bei Cum-Ex-Fonds.