Von Peter Hossli und Matthias Pfander
Deutschland wirft im Fall von «Emma»-Herausgeberin Alice Schwarzer (71) die Moralfrage auf. In der Schweiz hingegen dreht sich alles um das Leck. Wie geriet der bekannte Name an die Öffentlichkeit – obwohl reuige Steuerhinterzieher doch ein klares Recht auf Privatsphäre haben?
Schwarzer selbst legte eine Spur, als sie am Wochenende von einem «Schweizer Informanten» sprach, der ihren Namen gleich mehreren deutschen Medien angeboten habe. «Der Spiegel» griff zu – und brach damit sein Wort, so Schwarzers Anwalt Christian Schertz: «Noch vorletzte Woche hatte das Magazin von einer Veröffentlichung Abstand genommen», teilt er mit.
Als Quelle in Frage käme der Kundenberater der deutschen Feministin. Klar ist: Er half ihr, die Dokumente für die Selbstanzeige zu erstellen. Die von BLICK angefragten Schweizer Banken wollten nicht Stellung nehmen.
Es wäre ein weiteres Mal, dass ein Bankenvertreter die eigene Branche in eine Vertrauenskrise stürzt. Weitere Beispiele sind Rudolf Elmer (59), der Kundendaten der Bank Julius Bär den Medien zuspielte. Oder Hervé Falciani (41), der Informationen über mutmassliche französische Steuersünder bei der Genfer Filiale der Bank HSBC mitlaufen liess und feilbot. Ex-UBS-Banker Bradley Birkenfeld (49) löste mit seinen Informationen über US-Kunden den Steuerstreit zwischen der Schweiz und den USA aus – und brachte die UBS in schwere Nöte.
Ironie von Schwarzers Geschichte: Befördert wurde die Einführung des Bankgeheimnisses durch eine Episode, bei der ein Schweizer Bankier 1932 in Paris beim Steuerbschiss für Prominente erwischt wurde. Die Namen von Bischöfen, Generälen, Industriellen und Politikern gelangten an die Öffentlichkeit. Darunter die Familie Peugeot.
Neben einem Banker kommen im Fall Schwarzer weitere Kreise für die Verletzung des Bankgeheimnisses in Frage. «Niemand der Involvierten ist gegen solche Lecks gefeit», sagt der deutsche Steuerberater Markus Baumgartner. Er begleitet säumige Steuerzahler auf dem Weg zur Selbstanzeige.
Schrecken Steuersünder wegen dem Fall Schwarzer nun vor diesem Schritt zurück? Baumgartner verneint: «Die Angst, aufzufliegen, wird Leute nicht von einer Selbstanzeige abhalten.» Der Druck, Schwarzgeld zu legalisieren, sei gross. Wer es nicht tut, wird von Schweizer Banken rausgestellt.
Und was macht Alice Schwarzer? Sie hat gestern bekannt gegeben, rund eine Million Euro in einer gemeinnützigen Stiftung anzulegen, um die Chancengleichheit von Mädchen und Frauen zu fördern. «Die Stiftung ist seit Monaten in Vorbereitung», sagte sie. Wegen der «aktuellen Debatte» mache sie die Stiftung nun «mehrere Monate früher als geplant» publik. Es fällt schwer, das zu glauben. Viel eher poliert sie ihr arg angeschlagenes Image.