Blech & Geld in Frauenhand

Zwei Chefinnen bekleiden die beiden mächtigsten Posten der US-Wirtschaft.

Von Peter Hossli

barraWeibliche Macht offenbart sich oft subtil. Als Mary Barra vor vier Jahren die Personalabteilung von General Motors (GM) übernahm, fand sie ein eigenartiges Dokument. Auf zehn vollgeschriebenen Seiten war festgelegt, wie sich das Personal des Autokonzern wann zu kleiden hat. Barra zerriss das Papier. Seither reichen zwei Worte, um zu sagen, was zu tragen ist: «Angemessene Kleidung.»

Tritt Janet Yellen ans Rednerpult, senkt sie stets zuerst das Mikrofon um ein paar Zentimeter. Meist ist die zierliche Frau kleiner als ihr Vorredner – und erntet dafür schon mal ein paar Lacher. Bis ihre messerscharfe Intelligenz diese jäh zum Verstummen bringt.

Fast gleichzeitig steigen die beiden mächtigen Frauen in den Olymp der Macht. Ökonomin Yellen amtet ab Februar als Präsidentin der US-Notenbank, gebietet über den Dollar, der weltweit wichtigsten Währung.

Barra wird im Januar Konzernchefin bei GM, einem der grössten Autokonzerne. Perfekt verkörpern die GM-Marken Chevrolet und Cadillac das amerikanische Lebensgefühl.

Geld und Blech waren bisher klare Männerbastionen, nicht nur in den USA. Nie führte eine Frau eine wichtige Notenbank. Nie sass im dreiköpfigen Direktorium der Schweizerischen Nationalbank (SNB) eine Frau. Nun vertraut US-Präsident Obama (52) Yellen eine der anspruchsvollsten Aufgaben überhaupt an. Ein einziger Satz von ihr kann die Weltwirtschaft erschüttern oder beleben. Sie muss für stabile Preise und für eine hohe Beschäftigung sorgen. Ihre Feinde? Inflation und Arbeitslosigkeit.

Barra hat Benzin im Blut. Seit 33 Jahren arbeitet sie für GM, ihr Vater war 39 Jahre als Werkzeugbauer tätig. Zuletzt amtete sie als Chef-entwicklerin, fiel auf mit grobschlächtigen Aussagen wie «no more crappy cars», keine schrecklichen Autos mehr. Sie weiss: GM schlitterte in die Insolvenz, weil die allesamt von Männern erdachten altbackenen Modelle nur wenige wollten – sie galten nicht als cool.

Mehr als 100 Jahre dauerte es aber, bis GM eine Frau damit betraute, neue Produkte auszuhecken. Dabei entscheidet in 80 Prozent der Fälle die Ehefrau darüber, welchen Wagen eine Familie kauft.

Wegen der Nähe zur Kundschaft erhielt Barra den Zuschlag – und führt jetzt einen kolossalen Konzern, gebietet über 212000 Angestellte, leitet fast 400 Autowerke auf allen Kontinenten. Letztes Jahr fertigte GM zehn Millionen Autos, setzte 150 Milliarden Dollar um.

Weiter voranbringen will Barra das Unternehmen, das 2009 vom Staat mit 51 Milliarden Dollar gerettet werden musste, jetzt aber wieder profitabel ist. Eine Aufgabe, die sich die Mutter zweier Teenager gut bezahlen lässt. Ihr Vorgänger erhielt elf Millionen im Jahr. Wie ein Mann verlangte sie mehr.

janet_yellenSicher ist: Sie erhält weit mehr als die künftige Notenbank-Chefin Yellen. Die verdient 199700 Dollar im Jahr, 175000 Franken. Im Vergleich: SNB-Präsident Thomas Jordan (50) erhält 924400 Franken.

Ausgestochen hat Yellen ausgerechnet Larry Summers (59), einst Finanzminister der USA und lange Favorit für den Notenbank-Job. Es gebe weniger hochintelligente Frauen als Männer, sagte Summers 2005 als Präsident der Harvard University – gefolgt von einem weltweiten Sturm der Entrüstung.

Yellen konnte er nicht gemeint haben. Sie ist brillanter als er. Schon mit 25 unterrichtete sie an der Harvard University. Ihr Vater war Physiker. Bill Clinton (67) holte sie als Beraterin ins Weisse Haus, Alan Greenspan (87) zur Notenbank. Zuletzt war sie engste Mitarbeiterin ihres Vorgängers Ben Ber­nanke (60). Jahrelang erforschte sie an Topuniversitäten ökonomische Daten, oft mit ihrem Mann, dem Ökonomen George Akerlof (73). Er als chaotischer Künstler mit wilden Ideen, sie eisern diszipliniert. Chaos traf auf Perfektion.

Ist die US-Wirtschaft dank Yellen und Barra jetzt weiblicher? Die gläserne Decke für Frauen endlich zertrümmert? Ja und nein.

Zwar steht eine Frau seit Anfang 2013 an der Spitze der Waffenschmiede Lockheed Martin. Der designierte Chef war über eine Affäre mit einer Kollegin gestolpert. Seit sieben Jahren führt Indra Nooyi (58) den Getränkekonzern PepsiCo. Hewlett-Packard und IBM haben Chefinnen. Als Marissa Mayer (38) bei Yahoo übernahm, war sie schwanger. Ist doch kein Problem, sagte der Yahoo-Verwaltungsrat.

Die Statistik aber trübt das rosarote Bild. Nur 23 der 500 umsatzstärksten US-Konzerne haben Chefinnen, also rund 4,6 Prozent – unverändert wenig wie seit Jahren.