Von Peter Hossli
Erstes Urteil im Fall Hildebrand: Der Thurgauer Anwalt Hermann Lei (40) half, das Bankgeheimnis
zu verletzen. Dafür erhält der SVP-Kantonsrat eine bedingte Geldstrafe von 16 500 Franken.
Zeitgleich fasst Lei einen Freispruch. Die Zürcher Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren gegen ihn wegen Verletzung des Anwaltsgeheimnisses ein. Dagegen wehrt sich Reto T.*, einst IT-Mitarbeiter der Privatbank Sarasin.
T. erfuhr im Oktober 2011 von den Dollargeschäften des damaligen SNB-Präsidenten Philipp Hildebrand. Er erstellte Printscreens von dessen Sarasin-Konto – und legte sie Lei vor. «Mein Mandant hatte rechtliche Fragen. Er wäre nicht zu Herrn Lei gegangen, wenn dieser nicht Anwalt wäre», sagt der Anwalt von T., Viktor Györffy (45). Lei habe dann weitererzählt, was T. ihm anvertraute. «Lei verletzte das Anwaltsgeheimnis», sagt Györffy – ein Delikt.
Anders sieht es die Zürcher Staatsanwaltschaft. Demnach waren Lei und T. Freunde, die sich informell austauschten. Folglich bestand keine anwaltschaftliche Beziehung, als T. ihm die Kontoauszüge zeigte, auf denen Hildebrands Devisengeschäfte ersichtlich sind.
Diese Sicht schade der Schweiz, sagt Györffy. «Für den Rechtsstaat ist es zentral, dass man mit einem Anwalt im Schutz des Anwaltsgeheimnisses vertraulich sprechen und ihn um Rat bitten kann – selbst in Fällen, in denen nachher kein Mandat zustande kommt.» Deshalb sei klar: «Wir reichen Beschwerde ein gegen die Einstellungsverfügung.»
Rat von Lei wollte T., als er sich am 4. November 2011 mit diesem traf. Die beiden kannten sich seit der Schulzeit. Lei vertrat T. in einem früheren Rechtsstreit. «Ich ging zu ihm, weil ich rechtliche Hilfe suchte», sagt T. zu SonntagsBlick. Drei Fragen habe er gestellt: Wie sind die Devisengeschäfte juristisch zu werten? Welche Wege gibt es, sie zu melden? Und hat er, T., eine Meldepflicht? «Lei nahm sofort das Strafgesetzbuch zur Hand», sagt T. «Wie es jeder Anwalt tut.»
Gleichzeitig bot Lei an, die Printscreens aufzubewahren. Und versprach, bei einem Thurgauer Staatsanwalt abzuklären, ob Hildebrand womöglich Insidergeschäfte tätigte. «Lei beriet mich, er bewahrte Papiere auf und er nahm Abklärungen vor», sagt T. «Die Beziehung war anwaltschaftlich.»
Leis Anwalt Valentin Landmann widerspricht: «Herr Lei bestreitet die Schilderung von T. Es bestand einzig eine kollegiale Beziehung.»
Gemäss T. rief Lei ihn Mitte November 2011 an. Der Insider-Tatbestand sei wohl nicht gegeben, sagte er. Dann flösste er dem IT-Experten Angst ein. «Lei sagte, ich hätte das Bankgeheimnis bereits verletzt, er als Anwalt müsste mich anzeigen, momentan verzichte er darauf», schildert T. Er empfand es damals als Nötigung. «Fortan hatte Lei mich im Griff.»
Lei witterte wohl eine Chance. Hildebrand war in der SVP verhasst. Könnte Lei ihn stürzen, würde ihm das politisch nützen. Er drängte T., anonyme E-Mails an die Medien zu schicken, um die Dollargeschäfte publik zu machen. Zuletzt lehnte T. ab. «Mega, mega sorry Hermann. Ich bin für die Sache, aber auf einem korrekten Weg. Und wenn es den nicht gibt, gibt es ihn nicht», so T. am 25. November in einem E-Mail.
T. wollte die Sache juristisch klären. Deshalb willigte er zu einem Treffen mit alt Bundesrat Christoph Blocher ein. Der könnte ihm helfen, «anhand des SNB-Reglements eine Untersuchung auszulösen», so T.
Am 3. Dezember 2011 empfing Blocher Lei und T. Lei drängte, an die Öffentlichkeit zu gehen, «sonst erwischt es Hildebrand nicht». T. musste Blocher darlegen, dass es Hildebrand auch bei einer ordentlichen Untersuchung erwischen würde. Er zeigte Blocher «auf Aufforderung» die Unterlagen. Nach dem Treffen nahm Lei die Papiere wieder mit. Sie lagen bis am 6. Dezember in Leis Tresor. Dann holte T. sie ab – und verbrannte sie. Was er nicht wusste: Lei hatte sie längst kopiert, scannte sie ein, schickte sie per E-Mail an Blocher. Später gab er sie zusätzlich der «Weltwoche».
Am 23. Dezember informierte die SNB über Ermittlungen gegen Hildebrand. Am 1. Januar berich-tete die Sonntagspresse, Blocher sei im Besitz der Sarasin-Unterlagen. Und T. ging zur Polizei und erzählte, was er wusste. Er ahnte: Sein Anwalt hatte ihn hintergangen.
*Name der Redaktion bekannt