Wir vertreiben unsere besten Gäste

Seit Jahren pflegen Schweizer Städte arabische Touristen. Sie kaufen am meisten ein, wohnen in den mondänsten Hotels, mieten teure Autos. Ein Verbot der Burka wird viele vergraulen.

Von Peter Hossli, Katia Murmann, Roman Neumann

burkaDie Gäste der Nobelherberge blicken auf saftige Wiesen. Still ruht der See, am Horizont thronen die Alpen. Ein Ort, zu schön, um wütend zu sein.

Der Gastgeber des Luxushotels Honegg in Ennetbürgen NW aber lässt seinem Zorn freien Lauf. «Der Imageschaden für die Schweiz ist sehr gross», sagt Peter Durrer. Er meint das Tessiner Ja zum Verhüllungsverbot – und die Debatte um ein gesamtschweizerisches Verbot, das die SVP per Initia­tive erwirken will. Laut Umfragen mit grossen Chancen beim Volk.

Durrer sieht seine Gäste als Betroffene. Sie können sich seine teuren Zimmer leisten. Gezielt wirbt er um Touristen aus den Golfstaaten. Viele ihrer Frauen verlassen die Suiten verhüllt. Das, so Durrer, wollen sie sich nicht verbieten lassen: «In diesem Bereich sind Gäste aus dem arabischen Raum sehr heikel.»

Viele Hoteliers fürchten, die Kampagne gegen die Burka ver­letze Empfindlichkeiten im arabischen Raum. «Ein nationales Burkaverbot könnte negative Auswirkungen haben», sagt die Direk­torin des Schweizer Tourismus-Verbandes, Barbara Gisi. «Touristen aus den Golfstaaten werden sich überlegen, ob sie künftig in die Schweiz gehen sollen.»

Sie weiss: Das Geschäft mit Touristen aus dem Golf boomt in den Alpen. Mehr als verdoppelt hat sich in den letzten zehn Jahren der Zuspruch aus Saudi-Arabien, Kuwait, Oman, Katar, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Zählte Schweiz Tourismus 2003 noch 248674 arabische Übernachtungen, waren es im letzten Jahr schon 518842.

Araber sind spendierfreudig. Sie geben 2,84-mal mehr aus als durchschnittliche Schweiz-Be­sucher, ergab eine Befragung von Schweiz Tourismus. Täglich sind es 2815 Franken, hat der SonntagsBlick zusammen mit einem Ökonomen der Universität St. Gallen berechnet. Arabische Touristen trugen im Jahr 1,46 Milliarden Franken zur Schweizer Wirtschaft bei. 1,5 Prozent der Schweiz-Besucher leben in der Golfregion, erbringen aber 4,2 Prozent der touristischen Wertschöpfung.

Bei keiner Gruppe sitzt das Portemonnaie lockerer. Üppig kaufen Araber ein, mieten teure Autos, steigen in den mondänsten Hotels ab. Auf diese Klientel hat sich Peter Zombori spezialisiert. Der CEO von Premium Switzerland bietet Luxusferien an. Er ist «sehr genervt» über die Tessiner. «Die Abstimmung macht negative Werbung für die Schweiz, davon hatten wir jüngst genug.»

Araber, weiss Zombori, «wollen, dass man ihre Kultur respektiert». Dann lassen sie es sich in den Ferien «so richtig gut gehen». Er hat Kunden, die auf einer Schweiz-Reise schon mal 350000 Franken ausgeben. Wohlhabende Araber logieren in Hotels, in denen ein Zimmer bis zu 2500 Franken kostet – und mieten bis zu vier davon für die ganze Familie.

Gerne kaufen Araberinnen in der Schweiz ein. Zombori erinnert sich an eine Kundin, die in einem Laden drei Millionen Franken ausgab. Gerne schicken Muslime ihre Frauen in edle Genfer und Zürcher Boutiquen. Sie shoppen elegante Kleider, die sie privat tragen, wenn daheim der

Nikab fällt. Davon profitieren grosse Städte. Um 82 Prozent stiegen etwa in Zürich seit 2006 die Logiernächte arabischer Gäste. Drei Viertel übernachten in teuren Vier- und Fünfsternehotels. Bleibt ein Tourist im Schnitt 1,7 Tage in der Limmatstadt, verweilen Araber 2,58 Tage.

Häufig tummeln sie sich im Berner Oberland. Mit einem Anteil von 7,2 Prozent der Gäste sind sie in Interlaken die fünftwichtigste Besuchergruppe. Vor sechs Jahren waren es erst zwei Prozent. Auf dem Brienzersee kreuzen Schiffe, auf denen der Grillmeister für Muslime erlaubtes Fleisch zubereitet. «Ein Einbruch der Gästezahlen aus dem Nahen Osten hätte für die gesamte Wirtschaft im Berner Oberland negative Folgen», sagt die Sprecherin von Interlaken Tourismus, Bettina Bhend. «Bei uns sollen sich Gäste willkommen fühlen, unabhängig von Herkunft, Religion und Aussehen.»

Sibylle Staehelin (32) bietet Paragliding-Flüge an. Sie nennt das mögliche Verhüllungsverbot «eine Katastrophe für Interlaken». Vier von fünf Passagieren seien Araberinnen. «Supergäste», so Staehelin. Die meisten flögen mit Kopftuch, ein paar wenige tragen einen Nikab. Sie führt arabische Touristen aufs Jungfraujoch, jüngst brachte sie acht Saudis zum Alphornkonzert. «Sie interessieren sich für unsere Kultur.» Komme das Verhüllungsverbot, sagt Staehelin, «vertreiben wir unsere besten Gäste».

Bereits jetzt sei der Schaden durch die Tessiner Abstimmung gross, fürchtet Bettina Bhend von Interlaken Tourismus. «Wenige Gäste unterscheiden zwischen dem Tessin und der Schweiz als Ganzes.»

Das Verhüllungsverbot habe weit gravierendere Folgen als das Minarett-Verbot, glaubt sie. «Reisende wären in ihrer persönlichen Freiheit konkret eingeschränkt.»

Jahrelange Aufbauarbeit ginge zunichte. Schweizer Hotels bieten heute Zimmer an, in denen kein Alkohol in der Minibar steht. Sie offerieren Gebetsteppiche mit eingebautem Kompass, damit praktizierende Muslime in Richtung Mekka beten können. Statt der Bibel liegt ein Koran in der Nachttisch-Schublade. Das Personal schaut nicht mehr irritiert, wenn ein Araber das Schlafzimmer zeitgleich mit drei verhüllten Frauen verlässt.

Es ist ein schmaler Grat für die Hoteliers. Zum einen wollen sie die Petrodollars. Zum anderen wissen sie: Zu viele verhüllte Frauen schrecken westliche Touristen ab.

Da haben es andere Branchen einfacher. Gezielt umwerben die Banken die reichen Scheichs. Und 2012 verkaufte die Schweizer Industrie Güter im Wert von 6,71 Milliarden Franken in die Golfstaaten. Darunter Uhren für 2,65 Milliarden Franken, Pillen und Pulver für 1,72 Milliarden, Maschinen für 1,67 Milliarden.

Das ist wenig im Vergleich zum gesamten Export von 200 Milliarden Franken. Schneller jedoch wächst keine Region. Zudem stehen in den nächsten Jahren grosse Bauprojekte an, wie die Fussball-WM in Katar. Keine Schweizer Firma will da abseits stehen.