Schluss-Spurt

Hochspannung in Deutschland: Angela Merkel dürfte als Kanzlerin bestätigt werden. Offen ist, mit wem sie die Regierung bildet.

Von Peter Hossli (Text) und Maria Schiffer (Fotos)

wahlplakatWer regiert Deutschland in den nächsten vier Jahren? Weiterhin Kanzlerin Angela Merkel (59)? Oder doch Peer Steinbrück (66)? Und welche Par­teien bilden die Regierung?

Rund 64 Millionen Wahlberechtigte beantworten diese Fragen – noch bis morgen Sonntag um 18 Uhr. Dann schliessen die deutschen Wahllokale.

Gestern kämpfte die Kanzlerin noch in Hannover und München um Stimmen, heute in Berlin. Steinbrück schüttelte in Wiesbaden und Kassel Hände, heute Samstag in Frankfurt.

Der Ausgang ist so spannend wie selten zuvor. Hauchdünn behält gemäss letzten Umfragen die schwarz-gelbe Regierung aus CDU/CSU und FDP die Macht. Demnach holt Merkels Partei 40 Prozent der Stimmen. Die FDP bleibt mit 5,5 Prozent im Bundestag vertreten – und somit Juniorpartnerin der liberal-konservativen Regierung. Die SPD käme auf 27 Prozent. Es reicht ihr demnach nicht für die angepeilte Mehrheit mit den Grünen.

Geschadet haben den Grünen neue Enthüllungen über den Schutz Pädophiler. Selbst Spitzenkandidat Jürgen Trittin (59) setzte sich vor 30 Jahren für deren Straffreiheit ein.

Andere Umfragen gehen von einem Patt aus. Weit klarer beantworten die Deutschen die Kanzler-Frage. 58 Prozent wollen Merkel im Amt belassen. SPD-Herausforderer Steinbrück geniesst 32 Prozent Zuspruch.

Zwar bekräftigt die Kanzlerin, sie hoffe, weiter mit der FDP zu regieren – und lässt doch Parteikollegen für eine grosse Koalition aus SPD und CDU/CSU weibeln. «Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat wäre eine grosse Koalition diejenige Konstellation, mit der sich in Deutschland noch am ehesten etwas bewegen liesse», sagt der einstige Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer. «Die CDU hätte gerne eine grosse Koalition», sagt Polit-Berater Michael Spreng. «Die SPD ist verlässlicher als die FDP.» Immerhin trug sie die entscheidenden Reformen mit. Zudem möchte Merkel die SPD in der Europafrage einbinden.

wahlen2Bereits stelle der linke Flügel der SPD einen Katalog aus Bedingungen für eine grosse Koalition zusammen, weiss «Spiegel Online». Dazu gehören: ein landesweiter Mindestlohn, ein höherer Spitzensteuersatz, eine Solidarrente. Die SPD beharrte auf dem Ende des Betreuungsgeldes und der Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft. Angelaufen ist auch das Ge­rangel um die Ministerposten. Sicher bleiben dürften Finanzminister Wolfgang Schäuble (71) und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (54), beide CDU. Guido Westerwelle (51) von der FDP möchte das Aussenamt weiter führen – falls seine Partei in Merkels Regierung verbleibt.

Bei einer grossen Koalition fiele dieses Amt der SPD zu. Ihr Parteichef Sigmar Gabriel (54) wäre wohl Vizekanzler. Und Steinbrück? Er schloss einen Pakt mit Merkel aus. «Er geht in den Ruhestand», glaubt Spreng.