Von Peter Hossli
Als «Steinbrücks letzte Chance» kündigte der «Spiegel» das TV-Duell zwischen Peer Steinbrück (66) und Angela Merkel (59) an. Nur wenn der Kandidat der deutschen Sozialdemokraten vor laufenden Kameras gegen die Bundeskanzlerin glänzt, kann er die politische Stimmung noch drehen. Am 22. September wählt Deutschland. Seit Monaten liegt Merkel in den Umfragen vorn.
Steinbrück glänzte nicht. Er war viel zu aufgeregt, spulte auswendig gelernte Sätze ab, attackierte bloss zahm und wich kritischen Fragen aus.
Angela Merkel gelang, was einer Politikerin gelingen muss, die vorne liegt: Sie vermied Fehler.
Erste Umfragen zeigten: Es war ein Patt, mit leichtem Vorteil Merkel. Für Steinbrück zu wenig, um Dynamik in seinen Wahlkampf zu bringen.
Insgesamt war das Duell flau. Der Schlagabtausch fehlte. Merkel und Steinbrück besetzen bekannte Positionen. Er will einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für alle – sie glaubt, das koste Arbeitsplätze. Steinbrück will die Steuern heben und weiterhin gestohlene Daten-CDs aus der Schweiz kaufen. Merkel will die Steuern tief halten, um die Wirtschaft anzukurbeln.
Fernsehen lebt bekanntlich vom Bild. Wie jemand aussieht, ist wichtiger als das, was er sagt. Insgesamt wirkte Steinbrück souveräner. Merkel schien manchmal desinteressiert. Wie ein Musterschüler machte er Notizen. Ihr Gesicht glänzte, und Schweiss ist am Fernsehen tabu. Ihr Anzug schien etwas gross, seiner sass perfekt. Steinbrück trug eine blau-weiss gestreifte, schlecht gebundene Krawatte. Sie hingegen eine dezente Kette in den Farben Schwarz-Rot-Gold. Prompt eröffnete einer für die patriotische Kette ein Twitter-Konto.
Nach einer Stunde wirkten beide Kandidaten müde, drohte das TV-Duell zu erlahmen. Zu unkritisch fragten die Moderatoren, inklusive Stefan Raab.
Steinbrück punktete bei der Diskussion um die NSASchnüffelaffäre. Einig waren sich beide in der Syrien-Frage: An einem Militärschlag gegen Assad soll sich Deutschland nicht beteiligen, auch wenn Merkel den Chemieeinsatz ein «Verbrechen»nannte.
Der SPDKandidat sprach sich gegen eine grosse Koalition aus. Die CDU-Kanzlerin Merkel möchte weiter mit der FDP regieren, liess aber eine Türe für eine Regierung mit der SPD offen.
Die Schlussvoten zeigten, worum es in dieser Wahl geht. «Wir hatten vier Jahre Stillstand», sagte Steinbrück – und bot einen Neuanfang an. Merkel winkte ab: «Sie kennen mich. Sie wissen, was ich anpacke, und wie ich das mache.» Ihr Angebot: Weiter so.