Von Peter Hossli
Vor acht Tagen unterzeichnete Bundesrat Johann Schneider-Ammann in Peking ein Freihandelsabkommen mit China. Mit dabei waren 30 Chefs bedeutender Schweizer Firmen. Eine fehlte: Magdalena Martullo (43), CEO der Ems-Gruppe. «Ich reiste nicht nach China, weil wir wenige Vorteile erhalten», sagt sie. «Das Abkommen mit China bringt Ems praktisch nichts.»
Von Zöllen befreit seien einzig herkömmliche Kunststoffe, nicht aber hochwertige Polymere, bei denen Ems weltführend ist. «90 Prozent unserer Exporte nach China werden durch das Abkommen nicht begünstigt.» Dass ausgerechnet sie kaum profitiert, sei «etwas frustrierend», so Martullo. «Zumal ich mich sehr dafür eingesetzt habe.» Wie kam das? «Die chinesischen Unterhändler waren wohl besser vorbereitet als die Schweizer», sagt Martullo. «China will sich auf dem Gebiet weiter entwickeln, wo wir stark sind, deshalb bleiben die Zölle.»
Gleichwohl soll das Parlament das Abkommen ratifizieren, sagt die Unternehmerin. «Das Freihandelsabkommen bringt der Schweiz sehr viel.»
Für die Ems-Gruppe läuft das China-Geschäft ohnehin prächtig. Sie beschäftigt im Reich der Mitte rund 500 Personen. In Asien erzielt sie 27 Prozent des Umsatzes. «In zehn Jahren könnte sich der Anteil verdoppeln», sagt Martullo. Dieses Jahr erhöht Ems in China den Personalbestand für Verkauf und Entwicklung um 21 Prozent.
Warum hat ihr Konzern in Fernost Erfolg? «Wir schauen, was unsere Kunden wollen – und beliefern sie schnell und gut.» Zudem helfe es, «dass wir in China als Familienunternehmen wahrgenommen werden».
Schon ihr Vater, alt Bundesrat Christoph Blocher (72), reiste als Ems-Chef öfters nach Asien. Sie verbringt pro Jahr zweimal zwei Wochen dort, trifft Kunden und Mitarbeiter an den fünf chinesischen Standorten des Konzerns. «Es kommt gut an, dass die Chefin Hauptaktionärin ist.»
Vornehmlich zwei chinesische Industriezweige beliefert Ems mit Kunststoffen, bei beiden ist China das wichtigste Produktionsland: die Autobranche sowie Hersteller von Mobiltelefonen.
Weltweit wuchsen die Autoverkäufe im ersten Halbjahr 2013 bloss um ein Prozent. In Europa und Japan gingen sie sogar zurück. In China hingegen stieg der Absatz um 13 Prozent. Bis 2018 sollen 43 neue chinesische Autofabriken entstehen.
Rasant wandelt sich der Mobiltelefonmarkt. «Alles muss immer dünner und leichter werden.» Marktanteile seien im Fluss. «Apple wurde aus dem Nichts zur Nummer eins, dann kam Samsung, heute gibt es viele chinesische Marken.» Was sie freut: «Wir beliefern alle.»
Was rät Martullo Firmen, die nach China expandieren? «Sie müssen sich positiv einstellen.» Denn: «Chinesen merken, ob man sie akzeptiert und respektiert.» Letztlich seien sie «sehr pragmatisch», sagt Martullo. «Wer ihnen einen Vorteil bringt, ist ihr Partner.» Vertrauenswürdige Beziehungen seien zentral. «Es hilft nicht, arrogant und besserwisserisch zu sein.»
Derzeit aber stottert das chinesische Wachstum. «Vorbei ist es noch lange nicht», sagt Martullo. «Ich glaube an China, auch unter der neuen Führung.» Unter schwierigen Bedingungen mache sie vieles richtig. «Sie verfolgt für eine Milliarde Menschen ein Ziel – die Kaufkraft zu erhöhen.» Heute besässen erst sechs Prozent der Chinesen ein Auto. «Aber alle wollen eines, und das ist wunderbar.»