Von Peter Hossli
Jedem Journalisten drückt sie die Hand. «Mal schauen, was Sie heute schreiben», sagt Ems-Chefin Magdalena Martullo (43) zum Reporter. Ihr Blazer ist violett, sie wirkt locker – und selbstsicher.
Überall krisele es, beginnt sie die Medienkonferenz, insbesondere in Europa. Lichtblicke sieht sie in China und den USA.
Trotz allem legte Ems im ersten halben Jahr 2013 erneut zu. Bei Umsatz, Marge und Gewinn. Güter für 954 Millionen Franken setzte der Bündner Weltkonzern ab, ein Plus von 5,5 Prozent. Das Betriebsergebnis lag bei 183 Millionen Franken, 9,3 Prozent mehr als im Vorjahr.
Um 14 Prozent will Ems den Personalbestand bei Verkauf und Entwicklung erhöhen. «Das kostet uns zwar Geld», sagt Martullo. «Aber wir investieren in die Zukunft.» Denn: «Jede Krise setzt Goldadern frei.» Sie zeigt Kunststoffe, die Mobiltelefone und Autos verbessern, Turnschuhe und Kopfhörer.
Ems investiere 50 Millionen Franken in der Schweiz, sagt Martullo. «Obwohl ich mir grosse Sorgen um die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Schweiz mache.» Es folgt ein Rundumschlag gegen Bundesrat und Parlament – und Volk.
Sie kritisiert die Energie- und Steuerpolitik, die vielen Regeln, die fehlende Weitsicht. «Der Bundesrat hat keine klare Strategie für die Schweiz.» Statt seine Stärken zu verteidigen, beuge sich unser Land dem Druck von aussen. «Unsere Bundesräte geben in Verhandlungen zu viel preis, lenken ohne Gegenleistung schnell ein.» Ihr Verdikt: «Vorauseilender Gehorsam verschafft der Schweiz keine Vorteile.»
Das Volk sei zu wenig engagiert. «Warum wählen Schweizer Politiker in solch schwierigen Zeiten Politiker ohne Führungserfahrung?» Sie zitiert eine Studie, nach der sich die Schweizer nach einem ruhigen, beschaulichen und sicheren Leben sehnten. «Sie hoffen, dass sich die Probleme bei geschlossenen Augen und Ohren von selbst lösen.» Das sei «eine Illusion, angesichts der internationalen Herausforderungen».
Was tut sie dagegen? «Ich will die Schweiz wachrütteln.»
Sie sei «frustriert». Nicht wegen Ems. «Der Schweizer Wirtschaftspolitik fehlt eine klare Strategie», so Martullo. «Die Landesregierung nimmt die Chancen der Schweiz nicht wahr. Wann sehen wir innovative eidgenössische Führer?»
Wann geht sie in die Politik? «Es ist nichts geplant», sagt Martullo. «Als Unternehmerin bin ich unabhängiger und kann freier reden.» Wer aber so oft so deutlich austeilt, kann sich nicht für immer der Verantwortung entziehen.