Ein Getriebener – und ein Mensch

Ein Kommentar zum Tode des Rohstoffhändlers Marc Rich in Luzern.

Von Peter Hossli (Text) und Sebastian Derungs (Foto)

Eine Fabelfigur ist tot. Opportun, brillant, skrupellos lebte der mysteriöse Kaufmann Marc Rich. Mit Castro geschäftete der Belgier, Spanier und Israeli. Die USA bezichtigten Rich der Steuerflucht und Deals mit Iran. Bill Clinton begnadigte ihn und verspielte so beinahe seinen eigenen Ruf.

Dank Rich ist die Schweiz heute einer der führenden Umschlagplätze für Rohstoffe. Er begann 1974 in einer Vierzimmerwohnung in Zug und starb als Mil­liardär – als wohl umtriebigster Erdölhändler überhaupt.

Was zeichnete ihn aus? Sein Sinn für Talente. Er bildete sie aus, förderte sie, liess sie zur Konkurrenz ziehen: Heute lenken «Rich Boys» die mächtigsten Handelshäuser. Viele sind Millionäre, einige Milliardäre.

Rich war ein vifer Financier. Er erfand hochriskante wie effektive Methoden, um enorm viel Kapital zu verschieben – den Rohstoff aller Rohstoffhändler. Weil er stets pünktlich zahlte, gelangen ihm die echten Deals.

Rufe nach mehr Gerechtigkeit im Öl-, Gold- und Stahlhandel aber beantwortete er mit zu kurz geratener Logik: Stimme der Preis, seien alle zufrieden.

Erfolg und Arbeit trieben ihn an. Bis zuletzt verschob er Häuser und Kunst. «Wer Erfolg haben will, muss hart arbeiten.» Was ist Erfolg? «Geld verdienen», sagte er nur. «Erstens kann ich mit Geld meine Bedürfnisse befriedigen und zweitens kann ich es jenen
geben, die es nötig haben.»

Rich war scheu. Er redete wenig, hörte zu, umgab sich gerne mit Kindern und Enkeln. Gäste empfing der Milliardär in verwaschenen Jeans, grünen Pullis und wattierten Hausstiefeln – war dann nur Mensch.