«Ein Nein schützt kriminelle Amerikaner»

Die US-Steuerbehörden sind hungrig nach einem schnellen Erfolg, sagt der US-Bankenexperte John Coffee.

Von Peter Hossli

John Coffee lehrt Recht an der Columbia University in New York. Seit Jahren verfolgt der Bankenexperte den Steuerstreit zwischen Amerika und der Schweiz. Sein Fazit zur «Lex USA» ist klar: «Es mag danach aussehen, dass hier eine grosse Nation eine kleine in die Schranken weist. Aber die Schweiz ist zwischen Hammer und Amboss. Dieser Vorschlag ist ihr Weg aus der Klemme.»

Ein Nein des Parlaments schütze vor allem Kriminelle. «Es ist paradox», sagt Coffee. «Lehnen die Parlamentarier das Gesetz ab, helfen sie amerikanischen Steuerbetrügern, weiterhin in der Anonymität zu bleiben – gleichzeitig schaden sie Schweizer Banken.» Er warnt: «Bei einem Nein in National- und Ständerat kommt es innert Kürze zu zahlreichen Strafanzeigen gegen Schweizer Banken in den USA.» Coffee weiss: «Eine Bank überlebt eine US-Klage nicht.»

Nicht nur kleine und Kantonalbanken seien gefährdet. «Zuerst trifft es wohl Julius Bär und Credit Suisse», sagt der Professor. «Sie haben Niederlassungen in New York und anderen amerikanischen Städten. Für US-Ankläger ist es am einfachsten, Banken einzuklagen, die in den USA sind.»

Hungrig nach einem raschen Erfolg sei die US-Steuerbehörde. «Die IRS ist nach Skandalen angeschlagen», sagt Coffee. Mit einer Klage würde sie Namen von US-Steuersündern aus einer Bank pressen – und so ein Comeback feiern. «Amerikaner sehen Steuersünder gerne am Pranger.»

Parlamentarier stimmen darüber ab, ob Schweizer Banken direkt Daten an die USA liefern dürfen, allerdings keine Kundennamen. Anhand dieser Informationen legen die US-Behörden die Strafen fest. Unbekannt ist der Rahmen, in dem die Amerikaner mit den Schweizer Banken Bussen aushandeln. «Verständlich», sagt Coffee. «Es wäre rechtsstaatlich doch problematisch, müssten Schweizer Politiker über die Höhe von US-Bussen befinden.»

Die Blaupause sei der Deal, den die UBS 2009 mit den USA schloss. Die Bank verwaltete damals rund 20 Milliarden Dollar von Amerikanern, rund 17 Milliarden waren unversteuert. Dafür bezahlte die UBS 780 Millionen Dollar: 380 Millionen für illegal erworbene Gewinne sowie 400 Millionen für den USA entgangene Steuern. «Wer mit den USA zuerst einen Deal schliesst, kommt am besten weg», so Coffee. Er glaubt: «Andere Banken müssen höhere Bussen zahlen als die UBS.»

Gleichwohl seien die in der Schweizer Presse kolportierten 10 bis 20 Milliarden Franken Busse für alle Schweizer Banken «wohl zu hoch», sagt US-Steueranwalt William Sharp. Er vertritt säumige US-Steuerbetrüger und arbeitet eng mit der IRS zusammen. Sharp: «Die IRS rechnet mit total 2,5 Milliarden Franken an Bussen von Schweizer Banken.»