Von Peter Hossli Foto: Remo Nägeli
Diplomatie ist eine stille Sache. Zuweilen aber gelingt ihr ein brillanter, fast poetischer Wurf.
Wie beim Steuerdeal zwischen der Schweiz und Amerika. Diplomat Michael Ambühl erlangte das hehre Ziel seiner Zunft: Beide Seiten dürfen sich als Sieger sehen.
Die Schweiz, weil sie viele ihrer Banken vor dem sicheren Aus bewahrt; kein rückwirkendes Recht entsteht; selbst das Bankgeheimnis irgendwie intakt bleibt.
Die USA, weil sie auf dem Rechtsweg erhalten, was sie wollen: Namen von US-Steuerbetrügern.
Plustern sich nun Politiker wie Leitartikler als Gegner des Deals auf, entlarven sie sich als blinde Gockel mit wenig Fachwissen.
Dabei ist die Sachlage seit Jahren klar: Fast jede Schweizer Bank kann in den USA jederzeit eingeklagt werden. Mit fatalen Folgen. Wie das? Amerikaner lösen Probleme vor Gericht. Dort könnten sie belegen, dass nahezu alle Schweizer Banken unversteuerte US-Vermögen verwalteten.
Rund 36000 Amerikaner mit Schweizer Schwarzgeldkonten haben sich beim US-Fiskus selbst angezeigt. Sie legten Namen von Banken offen, Anwälten und Kundenberatern. Bestens im Bild ist demnach die US-Justiz über das Schweizer Geldgeschäft. Betreute eine Bank mehr als 40 betrügerische US-Kunden, nimmt ein US-Richter eine Strafklage wegen Beihilfe zum Betrug an. Bei 36000 reuigen US-Kunden hatten die meisten Banken mehr als nur eine Handvoll Amerikaner.
Eindrücklich zeigte 2012 der Fall Wegelin: Eine Bank überlebt eine Strafanzeige in den USA nicht. Just versiegt der Dollarhandel, Kunden wie Partner springen ab. Bleibt nur noch die Abwicklung der Entlassungen.
Es war nie Absicht der Amerikaner, Schweizer Banken zu vernichten. Sie interessieren sich nur für US-Bürger, die in Baar, Baden oder Basel Geld versteckten. Wegen des Bankgeheimnisses aber dürfen Banken keine Kundennamen preisgeben. Diesen gordischen Knoten hat Ambühl elegant zerschlagen: Das Parlament soll Banken ermächtigen, mit der US-Justiz direkt zu verhandeln. Pauschale Lieferungen von Kundennamen wie bei der UBS gibt es nicht.
Damit entfällt die Globallösung. Was absehbar war. Bereits im August 2009, dann im Februar 2012 bezeichnete der SonntagsBlick sie als Wunschdenken – jede Bank brauche separate Abkommen. Zumal jede Bank unterschiedlich agierte. Wer trotzdem einen für alle reinigenden Deal herbeisehnte, verkennt das US-Recht. Dieses sieht keine pauschalen Urteile vor. Solche widersprechen amerikanischem Rechtsempfinden. Unschuldige könnten dabei bestraft werden, Schuldige durch Maschen fallen.
Ein Jahr Zeit haben nun betroffene Geldhäuser, um mit den USA sogenannte Deferred Prosecution Agreements (DPA) zu schliessen: Abkommen, um Klagen abzuwenden. Dabei legen Banken offen, was sie taten, um US-Kunden anzulocken; wie viele sie hatten, wer sie betreute. Vor allem aber, ob sie nach 2009 noch UBS-Kunden übernahmen.
Die Schwere ihrer Vergehen bestimmt die Bussen. Dreiste Angestellte werden wohl angeklagt.
Mit den neuen Informationen stellen die USA dann Amtshilfegesuche bei der Eidgenössischen Steuerverwaltung. Werden diese gutgeheissen, gelangen Kundendossiers in die USA. Der Bund zahlt nur Beamte, die das prüfen.
Wer nicht sieht, wie glimpflich die Schweiz nun davonkommt, sollte die Augen öffnen. Oder wie Amerikaner sagen: «Get real!»