Schweizerinnen schicken ihr Blut zum Jolie-Test in die USA

Eine US-Firma besitzt das Krebs-Gen, das Angelina Jolie trägt. Schweizerinnen lassen sich in Utah testen. Krankenkassen zahlen es – wohl widerrechtlich.

Von Peter Hossli und Fibo Deutsch

Krebs hat Angelina Jolie (37) nicht. Die Schauspielerin trägt ein mutiertes Gen, welches das Risiko auf Brust- und Eierstockkrebs erhöht. Um es zu mindern, liess sich Jolie nun beide Brüste entfernen.

Dieses und ein weiteres Gene gehören einem Konzern in Utah in den USA. Myriad Genetics hat BRCA1 und BRCA2 im Jahr 1994 entdeckt und danach erfolgreich patentiert.

Mit Folgen für Patientinnen wie Oscar-Gewinnerin Jolie – und Zehntausende von Schweizerinnen, die Veränderungen in einem der beiden Gene tragen. Rein rechtlich dürfte nur Myriad Frauen auf BRCA1 und BRCA2 testen. Da Myriad dies in 17 Jahren über eine Million Mal getan hat, ist der Test sehr aussagekräftig.

Deshalb senden Schweizerinnen ihr Blut in die USA – auf Umwegen.

Nach dem Fall Jolie dürften es noch mehr werden. «Wir verzeichnen deutlich mehr Anfragen von Patientinnen nach Genabklärungen – wenn die Mutter an Brustkrebs litt», sagt Corinne Hürzeler vom Brustzentrum in Zürich.

Das Schweizer Blut gelangt in ein Labor nach Salt Lake City. Myriad-Genetiker testen es. Innerhalb von zwei Wochen liegt das Resultat vor. «Ärzte aus 60 Ländern schicken Proben ins Myriad-Labor nach Salt Lake City, darunter auch solche aus der Schweiz», sagt Gary King, Vizepräsident bei Myriad Genetics GmbH, dem internationalen Sitz in Zürich.

Eine Schweizerin mit Brustkrebs in der Familie will schnell wissen, ob sie ein erhöhtes Risiko hat. «Rasche Analysen liegen im Trend», sagt Christoph Noppen, Leiter Genetik und Molekularbiologie beim Basler Labor Viollier.

Rasch ist nur Myriad. Zwar bieten Spitäler in Aarau und Genf einen BRCA-Test an, «aber ohne Bezug zu Myriad», sagt King. Deren Resultat liege in drei bis sechs Monaten vor. Anders Myriad. «In 90 Prozent der Fälle liefern wir in 14 Tagen», sagt King. «Derzeit kann ausser Myriad Genetics kein anderes Labor jede Probe so schnell abwickeln und interpretieren», sagt Noppen. Er schickt Proben nach Utah.

Dass der Test in den USA und neuerdings im neuen Myriad-Labor in der Nähe von München (D) durchgeführt werde, liege im Interesse einer Patientin. «Sie soll möglichst schnell wissen, wie hoch ihr Risiko ist, an Brustkrebs zu erkranken.»
Zumal Schweizer Krankenkassen den Test in der Salzwüste bezahlen.

«Der Brustkrebsgentest ist bereits auf der Analyseliste und wird demnach regulär von Helsana übernommen», sagt Helsana-Sprecherin Claudia Wyss. Dazu King: «BRCA-Tests sind in der Schweiz erhältlich, die Krankenkassen zahlen bei medizinischer Indikation.»

Brisant: Nach Schweizer Recht müssen Kassen ausländische Tests nur zahlen, wenn kein Schweizer Labor ihn in der Schweiz anbietet.

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) weiss aber nicht, dass US-Genetiker das Schweizer Blut testen. «Analysen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung dürfen nur dann im Ausland durchgeführt werden, wenn in der Analysenliste ein entsprechender Vermerk enthalten ist», sagt BAG-Sprecherin Michaela Kozelka. «Dies ist bei den angesprochenen Brustkrebstests nicht der Fall.»

Noppen bestätigt das Dilemma. «Zwar ist der BRCA-Test in Schweizer Labors verfügbar, jedoch dauert es zu lange bis das Resultat vorliegt. Bei der Behandlung neu entdeckter Krebsfälle zählt jeder Tag.» Aus Sicht der Labors ist daher zulässig, dass Krankenkassen den US-Test zahlen.

Es ist eine Grauzone: Ärzte schicken Proben an Schweizer Labors. Diese schicken sie ins Ausland. Abgerechnet wird, als hätte ein hiesiges Labor den Test gemacht. «Das BAG wird die Angelegenheit so rasch wie möglich klären», sagt Sprecherin Kozelka. In den USA kostet der Test 4000 Dollar, in der Schweiz 4500 Franken.

Für Myriad ist der Fall Jolie heikel. Das höchste US-Gericht entscheidet im Sommer, ob der Konzern Patente an den beiden Genen behalten darf (siehe Box). Umso mehr versucht die Firma ihr Testmonopol zu verteidigen. So teilt der börsenkotierte Konzern seine Datenbank nicht mehr mit anderen Labors. Darin enthalten sind Zehntausende von genetischen Abweichungen. Jeder neue Test wird mit diesen Abweichungen verglichen – was eine hohe Aussagekraft erwirkt. Dazu Noppen: «Die Datenbank von Myriad ist Gold wert.»

Krebsgene vor Gericht
Diesen Sommer entscheidet der höchste amerikanische Gerichtshof, ob Myriad Genetics einige Patente auf die Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2 sowie Testmethoden behalten darf. Das sei der «wichtigste und komplizierteste Disput zwischen Wissenschaft, Recht und Wirtschaft unserer Zeit», schreibt die «New York Times». Seit über 150 Jahren verweigert das höchste US-Gerichte Firmen Patente für Naturgesetze und Naturprodukte. Myriad argumentiert, ihre Forscher hätten die Gene isoliert und ein Recht, daran zu verdienen. Kläger sagen, Myriad behindere die Medizin. Der Entscheid ist wegweisend für Medizin, genetisch veränderte Pflanzen und Impfstoffe.