Vier Tage für die Bank, ein Tag für die Schweiz

750 Banker der UBS und CS nehmen ein politisches Amt wahr. Ihre Arbeitgeber unterstützen sie dabei – mit einem bezahlten Freitag pro Woche.

Von Peter Hossli (Text) und Daniel Ammann und Isabelle Favre (Fotos)

Vor acht Tagen kündigte Martin Landolt (44) seinen Job bei der UBS. «Nicht mehr miteinander vereinbaren» kann der Glarner Nationalrat Ämter und Aufgaben bei der Bank.

Als Präsident der BDP war Landolt zu exponiert – und ist damit ein Einzelfall. Problemlos bekleiden rund 400 UBS-Bänkler in der Schweiz öffentliche Posten, darunter die 34-jährige Genfer SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz. 90 Prozent der UBS-Mandatsträger politisieren auf kommunaler Ebene. Sie sitzen in Schulpflegen, prüfen Staatsrechnungen, amten als Bezirksrichterinnen, sind Kantons- und Gemeinderäte.

Die UBS unterstützt sie. Bis zu 20 Prozent ihrer Arbeitszeit können Angestellte für ihre öffentlichen Mandate einsetzen. Zwischen 10 und 15 Prozent wendet Marc Mächler (43) für Politik auf. «Im gegenseitigen Einvernehmen mit meinem Vorgesetzten», sagt der verheiratete Vater von zwei Kindern. Seit 1996 ist er bei der UBS tätig. In St. Gallen führt der Ver­mögensverwalter 30 Personen.

Mit 23 Jahren stieg er in die Politik ein, wirkte als Geschäftsprüfer in seiner Wohngemeinde Zuzwil SG. Vier Jahre später liess er sich in den Gemeinderat wählen. Das Exekutiv-Amt bekleidete er noch, als die Bank ihn anstellte. Seit 2000 sitzt er nur noch im Kantonsrat, vertritt dort die FDP und präsidiert deren kantonale Partei. Weil er sich «dem öffentlichen Leben verpflichtet» fühle, sagt Mächler, setze er sich ein für eine «liberale Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung».

Sein Chef unterstütze ihn. Nie schaue er auf die Uhr, stempeln müsse er nicht. Wegen dieses «gegenseitigen Vertrauens» sei es möglich, politisch aktiv zu sein, sagt Mächler. Uneigennützig sei die Bank nicht. «Die UBS hat ein Interesse daran, das Milizsystem zu stärken, denn damit ist die Schweiz gut gefahren», sagt Mächler. «Das geht nur, wenn man dafür echte Ressourcen aufbringt.»

So stellt die Bank den Mitarbeitern die Studien der Analyse-Abteilung zur Verfügung. Jedes Jahr organisiert sie ein Forum für alle Mandatsträger. Zuletzt ging es um Social-Media-Netzwerke wie Twitter und Facebook.

Mächler nutzt das Netzwerk der Politik für die Bank – und das der Bank für die Politik. «Ich trage mein Wissen vom Büro in den Kantonsrat», sagt er. «Für Kunden bin ich als Kantonsrat ein interessanter Gesprächspartner.»

Es sei einfacher für Banker, im Kanton oder in der Gemeinde zu politisieren. «Dort gibt es weniger Interessenkonflikte.» Denn: «Finanzmarktpolitik wird ja im Bundeshaus gemacht.»

Die UBS stellt keine Erhebungen darüber an, welchen Parteien ihr Personal angehört. «Freiwillige Angaben der Mandatsträger zeigen, dass diese mehrheitlich aus dem bürgerlichen Lager stammen», sagt UBS-Sprecher Samuel Brandner.

Auch die Credit Suisse fördert politisches Engagement. Insgesamt bekleiden 350 CS-Angestellte öffentliche Ämter. «Wir sind als Unternehmen in der Schweiz auf ein intaktes Milizsystem angewiesen», erklärt CS-Sprecher Marc Dosch. «Unsere Leute sollen in Gesellschaft und Politik verankert sein.»

Dafür tut die CS einiges. Bis zu einem Tag pro Woche dürfen CS-Angestellte für Politik aufwenden – «bei voller Lohnzahlung und unabhängig von der Parteizugehörigkeit», so Dosch. Einmal jährlich organisiert die Abteilung Public Policy der CS ein Treffen für alle Mandatsträger. Letztes Jahr ging es um die neue Schweizer Energie­politik – und ihre Folgen und Chancen für Gemeinden und Kantone.

Daran teil nahm auch Bernard Bruttin (59). Seit 1996 arbeitet der Walliser für die Credit Suisse. Heute betreut der CS-Direktor im Bergkanton das Firmenkundengeschäft. Sein Büro ist in Sitten, wo er auch wohnt. Politisch aktiv ist er fast 1000 Meter höher. «Meine Passion liegt im Dorf», sagt der CVP-Politiker. Seit zwölf Jahren präsidiert er die Gemeinde Mont-Noble VS. Daneben führt er die Walliser Industrie- und Handelskammer.

Politik mache er seit 32 Jahren, meist abends und am Samstag. Am Mittwochnachmittag aber fehlt er in der Bank. «Diese Zeit gehört den 956 Einwohnern von Mont-­Noble.»

Das Modell hätte viele Vorteile. «Für Banker ist die Politik ein Ausgleich, dort erkennen sie die Probleme der Bürger», sagt Bruttin. «Für Politiker ist es wichtig zu verstehen, wie die Wirtschaft läuft – nur so lassen sich Probleme lösen.»

Letztlich sei es urschwei­zerisch, was er tue. «Alle Schweizer sollten am öffentlichen Leben teilnehmen können», sagt er. «Es ist richtig, dass die Credit Suisse uns da unterstützt.»

Was, wenn er zwischen Amt und Büro wählen müsste? Keine einfache Wahl, gibt Bruttin zu. «Dann würde ich bei der Bank arbeiten.»