Interview: Peter Hossli Fotos: Sabine Wunderlin
Monsieur Odier, Ihre Visitenkarte ist speziell. Darf ich sie sehen?
Patrick Odier: Natürlich. (Er klaubt eine Visitenkarte aus der Tasche.)
Sie ist beidseitig bedruckt. Auf einer Seite sind Sie Chef der Privatbank Lombard Odier, auf der anderen Präsident der Bankiervereinigung. Wie können Sie sich für Ihre Konkurrenten einsetzen?
Das ist einfach. Geht es der gesamten Branche gut, geht es meiner Bank gut. Habe ich beide Adressen auf meiner Karte, findet man mich schneller.
Sie sind oft in Genf zu finden. Arbeiten Banker dort sauberer als in Zürich?
Hoffentlich ist der gesamte Schweizer Finanzplatz sauber. Negative Ausnahmen gibt es, wie überall auf der Welt.
Zürcher Banker wundern sich, warum Genfer seltener ins Visier der Steuerfahnder geraten.
Das ist eine falsche Beobachtung. Derzeit sind 13 Schweizer Banken im Fokus der US-Steuerbehörden. Treffen kann es jede Bank der Welt.
Im Visier sind Schweizer Banken.
Kein Land verwaltet mehr Vermögen als die Schweiz. Da ist es logisch, dass die Problematik unversteuerter Gelder zu uns kommt. Wir haben früher einige Fehler gemacht. Diese korrigieren wir jetzt.
Waren Sie enttäuscht, als Barack Obama wiedergewählt wurde?
Gar nicht. Warum sollte ich?
Sie sagten, mit Obamas Regierung sei eine Lösung im Steuerstreit kaum möglich.
Es betrifft nicht Obama, sondern seine Verwaltung. Auf politischer Ebene wäre der Dialog einfacher als mit den Technokraten.
Wann endlich kommt die US-Lösung?
Hoffentlich bald. Wir sind seit zwei Jahren dran. Geht es so lange, ist es oft schwierig. Heute ist niemand sicher, dass noch eine gute Lösung kommt. Gegen uns spielt die Zeit – für uns die Tatsache, dass wir bei Fatca schon einig sind mit den USA.
Sie sagten, es brauche keinen Plan B zum Steuerabkommen mit Deutschland. Ein Irrtum.
Falsch. Die Abgeltungssteuer bleibt ein gutes Instrument, um unversteuerte Gelder zu regularisieren. Nur eine Kammer in Deutschland sagte dazu Nein. Ja gesagt haben je zwei Kammern in der Schweiz, in Grossbritannien und in Österreich.
Frankreich lehnt es ebenfalls ab.
Noch hat das französische Parlament nicht darüber befunden.
Präsident François Hollande sprach sich klar dagegen aus.
Monsieur Hollande sagte, was er politisch sagen musste. Öffentlich darf er nicht für die Anonymität von Steuersündern werben.
Seit dem deutschen Nein ist die Abgeltungssteuer doch tot.
Sie bleibt das beste Instrument, aber nicht das einzige. Spanien, Portugal und Belgien haben Amnestien. Deutschland regularisiert mittels Selbstanzeigen. Mit Italien scheint die Abgeltungssteuer möglich. Wir erweitern also den Plan A.
Wie viel Schwarzgeld liegt denn noch auf Schweizer Banken?
Das weiss ich nicht. Die Problematik wird sich mit der Zeit reduzieren. Schweizer Banker wollen keine unversteuerten Neugelder mehr annehmen. Schöpfen Kundenberater Verdacht, müssen sie sofort prüfen.
Wie wird Schwarzgeld weiss?
Es gibt keine Schweizer Waschmaschine für Schwarzgeld. In Liechtenstein werden Kunden gläsern, das lehnen wir ab. Unsere Banken wollen Kunden halten – und ihnen gleichzeitig eine Brücke zur Regularisierung der Gelder vorschlagen.
Das widerspricht den Ideen des Bundesrats. Ein Gesetzesentwurf sieht vor, Kunden mit unversteuerten Geldern abzustossen.
Dagegen wehren wir uns vehement. Die Schweiz hat den Kunden einst die Vertraulichkeit ihrer Bankdaten zugesichert. Daran müssen wir uns halten. Die Schweiz darf die Banken nicht im Alleingang zwingen, ihre Kunden abzu-stossen, solange in den jeweiligen Ländern keine fairen Lösungen zur Regularisierung bestehen.
Dann lehnen Sie die Weissgeldstrategie des Bundesrats ab?
Was die Zukunft betrifft, sind wir mit dem Bundesrat einig. Die Vorschläge für die Klärung der Vergangenheit der bestehenden Kunden lehnen wir aber klar ab. Wir wollen sie im Sinne der Rechtsstaatlichkeit korrigieren – und bekämpfen sie notfalls im Parlament.
Auch mit einem Referendum?
Das wird kaum nötig werden. Wir zählen auf die Vernunft.
Wann ist der Finanzplatz weiss?
Schon jetzt lehnen Schweizer Banker unversteuerte Gelder ab. Deutsche Journalisten sind daran unlängst bei einem Feldversuch gescheitert – was sie sehr überraschte.
Wie überlebt der Finanzplatz denn die Weissgeldstrategie?
Sehr gut. Banken verwalten längst nicht mehr nur private Vermögen, sondern auch Gelder von Institutionen, Staatsfonds und Familien.
Oswald Grübel sagt, der Finanzplatz stagniere zehn Jahre lang. Thomas Matter fürchtet, die Weissgeldstrategie koste 50000 Jobs. Peter Kurer rechnet mit bis zu 40000 verlorenen Stellen.
Es wird sich auf die Zahl der Stellen auswirken. Aber ich teile die Höhe der Schätzung meist ehemaliger Banker nicht.
Wie einschneidend aber ist der Wechsel zu nur versteuerten Guthaben?
Übertriebene Regulierung ist gefährlicher, auch bei der Steuerkonformität. Bleibt die Branche wettbewerbsfähig, bleiben die Arbeitsplätze. Sind wir aber strikter als andere, weisser als weiss, eröffnen Banken einfach Filialen im Ausland. Wir dürfen den Ast nicht absägen, auf dem wir sitzen.
SVP, FDP und CVP wollen das Bankgeheimnis in die Verfassung schreiben. Hat das eine Chance?
Vor ein paar Jahren war ich der Meinung, eine solche Initiative bringe nichts. Heute kann es sinnvoll sein, wenn wir demokratisch darüber befinden, wie viel finanzielle Privatsphäre wir in der Schweiz wollen.
Zwei Drittel der Stimmbürger sagten Ja zur Minder-Initiative. Verstehen Sie das?
Übertriebene Löhne ärgern viele. Unsere Branche muss das anerkennen, den Dialog verbessern und vermehrt zuhören, was die Bedürfnisse und die Sorgen der Menschen sind.
Sie geben sich demütig. Viele sehen das Resultat als Verdikt für Banker-Gier.
Es gab Exzesse. Die Schweizer Finanzbranche hat das schon vor drei Jahren erkannt – und als erste eine Regulierung eingeführt. Diese wirkt.
Wirklich? Die UBS schreibt 2,5 Milliarden Franken Verlust, zahlt aber 2,5 Milliarden Boni aus. Das ist für viele unverständlich.
Ja, das sieht widersprüchlich aus. Grossbanken wie die UBS bestehen aber aus etlichen Sparten. Erfolgreiche zahlen Boni, andere nicht. Die Vergütung soll zurückgehen, der Erfolg aber honoriert werden.
Die EU deckelt die Boni. Mit Folgen für Schweizer Banken?
Für internationale Schweizer Banken wird es schwieriger, gutes Personal in Europa zu halten. Die Leute ziehen dorthin, wo keine Technokraten die Wirtschaft behindern.
Wo können sie denn hin?
Noch ist die Situation nirgends besser als in der Schweiz. Das soll so bleiben. Attraktiv sind sicher die USA, weil die Amerikaner stets das tun, was für sie gut ist. Zudem gibt es wirtschaftlich liberale Länder in Asien.
Warum hat die Wirtschaft Mühe, das Volk hinter sich zu haben?
Weil uns der Mut fehlt, unsere Werte zu verteidigen. Wir müssen nicht nur über Schwächen, sondern auch über Stärken reden. Seit dem Beginn der Finanzkrise 2006 stieg das Kreditvolumen in der Schweiz um 14 Prozent. In den drei wichtigsten europäischen Ländern sank es um 15 Prozent. Wir haben die niedrigsten Zinsen, die Banken sind hervorragend kapitalisiert. Was in Zypern passiert, kann hier nie passieren.