So wenig Schweiz steckt noch drin

Die Schmuckstücke der Schweizer Wirtschaft gehören mehrheitlich Ausländern. Und kaum jemand merkts.

Von Peter Hossli

Schweizer Konzerne vermelden derzeit Positives. Swatch geht es prächtig. Nestlé steigert Gewinn und Umsatz. Die Auftragsbücher bei ABB sind überraschend voll. Selbst die beiden Grossbanken befreien sich langsam aus der jahrelangen Schockstarre der Finanzkrise.

Doch wie schweizerisch sind diese Ikonen der Schweizer Wirtschaft überhaupt? Ausländer bestimmen Chefetagen und Verwaltungsräte. Den Grossteil ihrer Erträge erwirtschaften die Konzerne fernab ihrer Heimat. «Schweizerisch sind Firmensitz und Geschichte», beschreibt Novartis-Präsident Daniel Vasella den Pharmariesen. «Management und Verwaltungsräte sind mehrheitlich ausländisch, ebenso die Aktionäre.»

Wie wahr. Nur noch 42 Prozent der eingetragenen Novartis-Aktien liegen in Schweizer Händen. Dieser Anteil sinkt stetig. 2007 betrug er noch 51 Prozent, fiel ein Jahr später auf 49, 2010 auf 45 Prozent. Vor zehn Jahren gehörte Novartis noch zu 77 Prozent Schweizer Aktionären. Entstanden war der Konzern 1996 durch eine Fusion aus Ciba-Geigy und Sandoz. Damals stammten die Besitzer vornehmlich aus dem Basler «Daig».

Seither hat sich Novartis zu einer amerikanischen Firma gewandelt. Fast die Hälfte – 46 Prozent – des Konzerns liegt in US-Händen. Der CEO ist ein Amerikaner, die Geschäftskultur weltweit amerikanisch geprägt, die Konzernsprache Englisch.

Anders der Konkurrent am Rheinknie. «Wir sind eine Basler Firma», betont ein Sprecher von Roche. Die Erben der Firmengründer besitzen nach wie vor die Hälfte der Roche-Aktien. Ein Drittel gehört Novartis, der Rest ist breit gestreut.

Schweizerisch ist der Uhrenund Schmuckriese Swatch. Der Konzern legt die geografische Herkunft des Aktionariats zwar nicht offen. Aber: «Sie können davon ausgehen, dass der grösste Teil der Aktionäre sich in der Schweiz befindet», sagt Swatch-Sprecherin Béatrice Howald.

Die in der Schweiz ansässigen Rohstoffhändler Glencore, Vitol und Trafigura erzielen mehr Umsatz als Nestlé. Aber kein Schweizer Konzern strahlt weiter als der Nahrungsmittelriese. In manchem Land wird Nestlé gar als lokale Firma wahrgenommen.

Vor über zehn Jahren gehörte der Multi aus Vevey VD noch zu rund 45 Prozent Schweizern, nun sind es 36,5 Prozent. Insbesondere US-Anleger glauben an Nespresso und Nescafé. 2001 besassen Amerikaner 15 Prozent an Nestlé, Ende 2011 waren es 27.

Die Herkunft der Investoren beeinflusst die Lohn-Debatte. Aktionäre segnen an Generalversammlungen die Vergütungsberichte der Konzerne ab. Schweizer seien da kritischer als Ausländer, sagt Stephan Hostettler, der für über 220 Firmen Gehaltsmodelle festlegt, auch für die UBS. «Oft interessieren sich ausländische Aktionäre weniger für überhöhte Gehälter als Schweizer.»

Ein Schweizer führt die UBS, ein Deutscher präsidiert ihren Verwaltungsrat. Noch 20 Prozent der Aktien gehören heimischen Anlegern, Tendenz sinkend. 2008 waren es 27,4 Prozent.

Längst sind die beiden Grossbanken internationale Konzerne geworden mit Sitzen in Zürich und Basel. Die Welt nimmt sie anders wahr als die Schweiz. Nur hierzulande bieten sie ein dichtes Netz an Geschäftsstellen an, vergeben Kleinkredite und Hypotheken, stellen Karten für Bankomaten aus. Andernorts gilt die UBS primär als edle Verwalterin grosser Vermögen, die Credit Suisse als aggressive Investmentbank.

Bei der CS wächst der Anteil der Schweizer Besitzer. Ende 2011 lagen 32 Prozent der eingetragenen Aktien in Schweizer Händen, 20 Prozent in amerikanischen. 2007 waren 28 Prozent heimisch. «Der Anteil ausländischer Aktionäre ist ein Ausdruck der globalen Ausrichtung der Bank», sagt CS-Sprecher Hans-Peter Wäfler.

Die Schweizer Wirtschaft profitiere von ausländischen Investoren. Diese trügen Kapital ins Land. «Das kann in der Schweiz zur Kreditvergabe eingesetzt werden», so der CS-Sprecher.