Von Peter Hossli (Text) und Thomas Lüthi (Fotos)
Die Warnung ist deutlich: «Treten Sie zurück, hier wird gebissen», ruft ein Soldat. Ein Belgischer Schäfer schnellt auf ihn zu, bellt laut. Der Mann wehrt sich, der Hund beisst, schnappt in die linke Schulter, wirft den Mann um.
Gut gemacht, sagt der Hundeführer. Es ist eine Übung der Schweizer Armee. Sie stellt in Thusis GR zwölf Rüden vor, die bis Sonntag am World Economic Forum (WEF) in Davos im Dienst sind. Der gebissene Mann ist ein Soldat. Dick gepolstert, damit er vor den Hundezähnen geschützt ist.
Hunde seien «sehr wichtig» am WEF, sagt Divisionär Marco Cantieni, am WEF zuständig für Bodentruppen. Sie sorgten für Ruhe und Ordnung. «Niemand begegnet einem Hund gerne in der Nacht.» Auch wenn am WEF noch nie einer zugebissen habe: «Sie sind unser bestes Mittel.»
Aber nicht das einzige. 3300 Soldaten sind im Einsatz, schützen Boden- und Luftraum, befördern Banker, Beamte, Bosse und Bundesräte. Mit 1400 Fahrzeugen und 1000 Funkgeräten. Kostenpunkt: 28,5 Millionen Franken. Das sind 1,5 Millionen Franken weniger als vor drei Jahren. Damals standen 4700 Mann im Einsatz. 51 000 Diensttage sind es jetzt. Geleistet zu 90 Prozent von Milizsoldaten.
Der Einsatz untersteht Divisionär Jean-Marc Halter, einem sanften Berner. «Wir sind bereit, wir sind da», sagt Halter. «Zum Teil unsichtbar, zum Teil ganz bewusst sichtbar – um abzuschrecken.» Er ist in Bern stationiert, die Flugwaffe befehligt ihre Jets von Dübendorf ZH aus, viele Kasernen stellen Truppen – die Schweiz ist eine Festung.
Das Militär helfe am WEF, da «zivile Mittel nicht reichen, die Sicherheit zu gewährleisten», sagt Halter. Die Armee unterstützt Graubünden, wahrt die Lufthoheit, bewacht Staatsund Regierungchefs, beurteilt die Lawinengefahr, hilft beim Auf- und Abbau. So stellten Soldaten 18 Kilometer Zäune auf.
Auf einer Wiese in Thusis stehen zwei Helikopter vom Typ Super-Puma. Die Motoren heulen, die Rotoren wirbeln Schnee auf. Das eigene Wort ist nicht mehr zu hören. Sanft heben die Pumas ab, gleiten über verschneite Wälder – bis die Piloten beim Zeughaus Davos-Frauenkirch landen. Hier sind Helikopter stationiert, die am WEF patrouillieren.
Der Bundesrat hat den Luftraum über Graubünden zur Restricted Area erklärt. Wer reinfliegt, wird abgefangen. Reagiert er nicht auf Funkwarnungen, erfolgt ein Warnschuss. Wird der Flugweg eines Jets als echte Gefahr gesehen, erteilt der Bundesrat einen Feuerbefehl.
Letztes Jahr gab es neun Verstösse, 2011 fünf. Bei gutem Wetter würden sich Hobbypiloten verirren, sagt Bernhard Müller, Divisionär bei der Luftwaffe. «Das grösste Problem sind aber Business-Jets.» Erstmals flog die Luftwaffe 1995 am WEF – an Bord: Yassir Arafat.
Sein Team könne am WEF bei einem realen Einsatz viel lernen, sagt Müller. «Es kostet weniger als ein WK», sagt der Divisionär . «Aber es ist wertvoller.»
Vier Militärbusse halten vor dem Kongresszentrum in Davos. «Totales Halteverbot», ruft eine Polizistin. Beeindrucken lassen sich die Divisionäre nicht.
Sie führen in ein geheiztes Zelt, wo 30 Sanitätssoldaten mit zwei Ärzten für die Triage verantwortlich sind. 300 Personen können sie evakuieren, in zwei mobilen Operationssälen operieren sie.
An ein Fort erinnert der Horchposten bei der Sunnibergbrücke vor Klosters. Unten steht ein Container, darüber liegt eine offene Plattform. Von hier haben Späher freie Sicht in jede Himmelsrichtung. Ein mit Stacheldraht versehener Zaun riegelt den Posten ab. Er ist nonstop besetzt, selbst bei minus 20 Grad. Fällt den Soldaten etwas auf, melden sie es der Polizei. Sie schiessen nur aus Notwehr.
Gegen die Kälte hilft warmes Essen. Und nachts uraltes Material: Wollpelzmäntel und Schuhe mit hölzernen Sohlen.