Von Peter Hossli
Der amerikanische Senat ist eine ehrwürdige Kammer, 100 Mitglieder stark. Jede Senatorin, jeder Senator weiss, wie viel Macht das Amt bringt – und Verantwortung.
Letzteres ist nun gefragt wie selten zuvor. Heute Sonntag verhandeln in Washington der demokratische Senator Harry Reid (73) und sein republikanischer Kollege Mitch McConnell (70) über eine Lösung im US-Haushaltsstreit.
Ihr Auftrag kommt vom Weissen Haus: US-Präsident Barack Obama (51) hat die beiden Fraktionschefs angehalten, bis am Sonntagabend einen Vorschlag auszuarbeiten.
Obamas Taktik: Einigt sich der Senat, zieht das republikanisch kontrollierte Repräsentantenhaus am Montag wohl nach. In letzter Minute könnte so ein jäher Fall über die Fiskalklippe verhindert werden.
Wenn nicht, weiss der Präsident, folgt die Wirtschaftskrise.
Worum geht es? Amerika kennt – wie die Schweiz – eine Schuldenbremse. An Silvester erreichen die USA ihre gesetzliche Limite von 16,4 Billionen Dollar Schulden. Zuvor müsste das Parlament zusammen mit Obama einen Kompromiss finden, der Steuererhöhungen für Reiche vorsieht sowie Abstriche bei sozialen Programmen. Scheitern die Politiker, treten am 1. Januar 2013 automatisch Steuererhöhungen für alle in Kraft. In den folgenden Monaten kämen Kürzungen bei staatlichen Ausgaben hinzu. Insgesamt verlöre die US-Wirtschaft 600 Milliarden Dollar. Oder fünf Prozent des Bruttoinlandprodukts. Als träfe sie eine Keule, würde es die Weltmacht verwerfen. Eine schleichende US-Konjunktur zöge die Welt in schwere Rezessionen in Europa, Lateinamerika und sogar in Asien. «Es wäre eine ökonomische Katastrophe», so der Schweizer Ökonom Thomas Straubhaar in der «Welt».
Umso mehr drängt Obama den Senat zu einer Lösung: «Die Amerikaner haben keine Geduld mehr für selbst verschuldete Angriffe auf unsere Wirtschaft», sagt Obama, ein Demokrat – und bezeichnet die Republikaner als stur. Aus Kalkül. Sollte die Wirtschaft in Schockstarre fallen, will er wenigstens politisches Kapital daraus schlagen – und die Schuld den Republikanern zuweisen. Sie müssen sich 2014 den Wählern stellen.