Eine ganze Partei in Geiselhaft

Wie ein Besessener die USA über die Fiskalklippe stossen will. Ein Kommentar

Von Peter Hossli

Grover Norquist gilt als mächtigster Mann in Washington. Jeden Mittwoch um 10 Uhr lädt er die konservative Elite in die Zentrale von Americans for Tax Reform. Seine Denkfabrik setzt sich für immer tiefere Steuern ein. Am Schluss jeder Sitzung sprechen Senatoren und Repräsentanten einen nahezu heiligen Schwur. Nie, schwören sie vor Norquist, würden sie im Parlament Steuererhöhungen zustimmen. Von den aktuellen 535 Vertretern im US-Kongress haben 279 dieses Gelöbnis abgelegt.

Wer es bricht, verliert den Beistand von Norquist – und ziemlich sicher die nächste Wahl.

Nun droht deswegen eine weltweite Rezession. Stimmen die von Norquist gegängelten Republikaner bis am 31. Dezember nicht einmal minimalen Steuererhöhungen für reiche Amerikaner zu, durchbricht der US-Staat seine Schulden-Obergrenze. Automatisch erhöhen sich die Steuern aller, Staatsausgaben schrumpfen. Insgesamt verliert die US-Wirtschaft 600 Milliarden Dollar. Wie von der Keule getroffen, verwirft das die Konjunktur.

Als «schlimmsten Mann» der Welt schimpfte ihn unlängst ein bekannter US-Fernsehjournalist. Was Norquist beflügeln dürfte. Zumal er sich auf einer Mission befindet. Sein Ziel: «Ich will den Staat auf jene Grösse schrumpfen, um ihn in der Badewanne zu ertränken.»

Ob Norquist noch Oberwasser hat, ist heute fraglich. Amerikaner haben in den letzten Wochen begriffen: Stürzt das Land tatsächlich über die Fiskalklippe, sind Extremisten wie er schuld. Die Zeche zahlen die Republikaner an der Urne. Zu lange schon hockt ihre Partei in Geiselhaft eines Besessenen.